Wer von der Sammelleidenschaft für Briefmarken erfasst ist, für den gibt es kein schöneres Hobby auf der Welt. Da muss man nur einmal dabei gewesen sein, bei einem Treffen der Bad Neustädter Briefmarkenfreunde, um das zu spüren. Die Begeisterung ist lebendig, aber wie steht es mit dem Nebeneffekt, der Wertanlage, die potenzielle Erben in früheren Jahren hoffnungsvoll auf die tolle Sammlung des Onkels schielen ließ? Was macht man, wenn man sorgsam ausgestattete Alben geerbt hat?
Für den Briefmarkenfreunde-Ehrenvorsitzenden Gerhard Lunau wäre dies die Idealvorstellung: „am besten weitersammeln“. Aber wenn man daran keine Freude hat, sondern eher am Geld interessiert ist, sieht es schon schlechter aus.
Zunächst stellt sich natürlich die Frage, wie ein Nicht-Fachmann in Erfahrung bringen kann, welchen Wert die geerbte Sammlung denn haben könnte. Ein Weg wäre die Kontaktaufnahme mit den Briefmarkenfreunden, die den Ratsuchenden an spezialisierte Berater verweisen können.
Ein Blick in Fachzeitschriften könnte weiterhelfen, weniger geeignet als Anhaltspunkte sind Briefmarkenkataloge, denn sie geben Werte an, die in der Realität nicht gezahlt werden. So sind dort beispielsweise für eine gestempelte Sammlung Bundesrepublik bis 2001 (mit D-Mark-Werten) 4850 Euro angesetzt, tatsächlich gehandelt wird sie zu einem Preis von 100 Euro.
Auktionshäuser bestimmen den Markt
Konnte man sich früher auch an Briefmarkenhändler wenden, besteht diese Möglichkeit heute fast nicht mehr. Viele haben aufgegeben, es sind die großen Auktionshäuser, die den Markt bestimmen. Sie unternehmen Rundreisen, begutachten die Erbstücke und geben eine ungefähre Schätzung über das zu erwartende Auktionsergebnis ab. Um zu einem lohnenden Erbe zu kommen, muss da schon eine hohe Qualität vorliegen.
Was genau sich dahinter verbirgt, dazu können sich Fachleute in stundenlange Ausführungen verlieren, ein Laie steht dem Ganzen hilflos gegenüber.
„Für Buntsammlungen gibt's nix, für Bundesrepublik und DDR auch nicht, das haben zu viele Leute gesammelt“, nimmt Lunau mögliche Illusionen und sieht einen kleinen Hoffnungsschimmer für den Fall, dass ein postfrischer Posthornsatz von 1951 vorhanden sei, Marken aus den Jahren 1948/49 oder auch der Marx-Block aus der DDR. Erhöht würden die Aussichten auf einen ansehnlichen Erlös durch gute und wertbeständige Stücke aus Altdeutschland, aber das Glück einen „Schwarzen Einser“ aus Bayern oder den Nothilfeblock und die Zeppelin-Marken aus dem Deutschen Reich zu erben, dürften nur wenige haben.
Der Markt ist am Boden
Zur Verkaufssituation generell gibt Lunau ein klares Urteil ab: „Der Markt ist am Boden“. Schuld daran ist nicht nur der Siegeszug der briefmarkenlosen digitalen Kommunikation, sondern weitere Einflüsse verstärkten die Entwicklung. So erklärte beispielsweise die Post in Deutschland DM-Marken für ungültig. Damit wurden Millionenwerte ungebrauchter Marken wertlos.
Auch wenn die Zeiten, in denen Briefmarken die Aktie des kleinen Mannes waren, vorbei sind, wie Lunau bedauert, wirbt er voller Euphorie für dieses Hobby. „Man kann sich so viel Wissen erarbeiten, mit ausländischen Marken beispielsweise die ganze Welt kennenlernen, Freude an den Motiven haben oder sich in ein Spezialgebiet vertiefen. Bis ins hohe Alter kann man sich auch alleine damit beschäftigen. Da spielt es nur eine untergeordnete Rolle, dass mit Briefmarken kaum noch eine Wertanlage geschaffen werden kann.“