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BAD KÖNIGSHOFEN
Ärztin Birgit Kirsch hilft wieder in Nepal
Ärztin Birgit Kirsch hilft erneut in Nepal. Als wären die Folgen des Erdbebens vom Frühjahr nicht schlimm genug, leiden die Menschen in dem kleinen Himalayastaat auch unter einem politischen Embargo.
Traditionelle Begrüßung: Kinder in der Schule von Phera übergeben Birgit Kirsch eine Kattha, einen Seidenschal.FOTO: Kirsch
| Traditionelle Begrüßung: Kinder in der Schule von Phera übergeben Birgit Kirsch eine Kattha, einen Seidenschal.FOTO: Kirsch
Von unserem Mitarbeiter Hanns Friedrich
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:46 Uhr

Es war im April dieses Jahres, als Birgit Kirsch aus Bad Königshofen in Nepal war, um dort freiwillig und unentgeltlich im Amppipal-Hospital in Kathmandu mitzuarbeiten. So wie sie es schon seit Jahren regelmäßig getan hat. Doch diesmal war es anders – hautnah erlebte sie damals das verheerende Erdbeben mit und kam zweimal in kritischen Situationen knapp mit dem Leben davon (wir berichteten).

Seit acht Tagen ist die Ärztin, die als Chirurgin an der Herz- und Gefäßklinik in Bad Neustadt arbeitet und überdies im Grabfeld oft als Notärztin im Einsatz ist, nun wieder im Erdbebengebiet. Mit dorthin nahm sie unter anderem orthopädische Implantate, die sie gleich am ersten Tag in einem Hospital abgeliefert hat.

Birgit Kirsch ist wieder in ihrer „zweiten Heimat“ angekommen und dort gleich aktiv geworden. Was den kleinen Himalayastaat in dieser Situation besonders trifft, ist ein Embargo der indischen Regierung. Denn dies stürze die Erdbebenregion in eine tiefe Krise und behindere den Wiederaufbau, berichtet die Medizinerin.

Bereits einen Tag nach ihrer Ankunft machte sich Birgit Kirsch zu einer ersten Bestandsaufnahme ins Dorf Phera auf. Insgesamt vier Tage war sie mit ihren Helfern unterwegs, besichtigte und fotografierte beschädigte Häuser, sprach mit Bewohnern und dokumentierte alles. Phera erstreckt sich weitläufig über einen Hang, recht abgelegen im Distrikt Solu. 81 Häuser gibt es dort und seit einem Jahr elektrischen Strom, erzeugt von einem kleinen Wasserkraftwerk. Die Elektrifizierung haben die Bewohner aus eigenem Antrieb und in Eigenleistung zu Wege gebracht. Das erste Erdbeben vom 25.April hatte noch relativ wenig Schaden angerichtet, das zweite vom 12. Mai aber umso mehr: Kein Haus ist dabei unbeschädigt geblieben, viele sind so instabil, dass sie neu aufgebaut werden müssen. Die Bewohner leben nach wie vor in selbst fabrizierten Notunterkünften. Häufig wurde das Vieh ausquartiert und Ställe als vorübergehendes Wohnhaus eingerichtet.

Zudem wurde das Dorf von einer Raupenplage heimgesucht, die einen Großteil der Ernte an Mais und Kartoffeln vernichtet hat. In einem eigenen Komitee zum Wiederaufbau des Dorfes hat man entschieden, dass 25 besonders stark betroffene Häuser saniert werden. Dazu gibt es einen finanziellen Zuschuss. „Ich darf an dieser Stelle den tiefen Dank der Einwohner von Phera übermitteln, insbesondere an unsere Sponsoren“, so die deutsche Ärztin. Dazu gehört der Lionsclub Bad Königshofen, hinzu kamen viele Spenden.

Kaum ein Grund zum Feiern

In dieser Woche beginnt Dashain – das wichtigste Fest im Jahr. Dann ist Birgit Kirsch bei Bekannten eingeladen und wird, entsprechend der Sitte, ein Salwar Kameez tragen, eine landestypische Kleidung. „Zu diesem Anlass kann man offenbar nicht in Jeans und T-Shirt auftauchen. Habe mir aber extra noch passende Schuhe besorgt.“ Doch Feiern ist für die Medizinerin freilich Nebensache. Sie versucht derzeit, eine deutsche Firma als Lieferant für Katheter und Zubehör an Land zu ziehen. „Ja, zu organisieren gibt es genug, und mir wird auch nicht langweilig.“

Mittlerweile berichtet die Ärztin aus Bad Königshofen von einer Lebensmittelknappheit im Distrik Tanahun. Im Kathmandu Valley wird das Wasser knapp, und die Telefongesellschaften melden, dass sie den Betrieb nicht mehr lange aufrechterhalten können. Das hieße dann wohl, dass es bald kein Internet und kein Telefon mehr gibt. Die Schulen schließen, weil die Schulbusse nicht mehr fahren können und die Schulkantinen kein Gas mehr zum Kochen haben. In 40 Prozent der Restaurants gibt es kein Essen mehr, weil diese auch kein Gas haben.

Für Birgit Kirsch steht fest: Indien missachte mit seinem Embargo internationales Recht, zumal Nepal keinen Zugang zu einem Seehafen hat. Die Ärztin weiß, dass es Verhandlungen zwischen Nepal und Bangladesh über Treibstofflieferungen gab, doch die seien auf Druck Indiens abgebrochen worden. „Ist schon komisch, dass der Rest der Welt so gar keine Notiz davon nimmt, was hier gerade passiert“, schreibt Kirsch in einer Mail. „Heute ließ ein Sprecher des Nepal Medical Council (so etwas wie die nepalische Ärztekammer, Anm. der Red.

) in der Zeitung verlauten, dass, sollte das Embargo noch ein paar Tage anhalten, auch die Kliniken in Kathmandu schließen müssten“, berichtet die Helferin. Patienten aus dem Umland könnten schon länger nicht mehr behandelt werden, weil es keine Transportmöglichkeiten in die Stadt gebe. Auch die Medikamente gingen aus. „Es ist kaum noch Verkehr in den Straßen. Noch nie war der Himmel über Kathmandu so klar. Und noch nie die Bergsicht so genial.“ Gute Aussicht, schlechte Aussichten.

 
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