
Wenn es um den vergangenen verkaufsoffenen (Muttertags-) Sonntag im Rahmen der Fahrzeugschau Elektromobilität in Bad Neustadt geht, ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Während sich die Geschäftsinhaber in der Innenstadt über zahlreiche, kaufkräftige Kunden freuen durften, standen Menschen bei anderen Geschäften außerhalb der Stadtmauern vor verschlossenen Ladentüren.
So hatte die Stadt Bad Neustadt unter anderem den Baumärkten Obi und Toom die Öffnung am Sonntag kurzfristig untersagt, nachdem diese zuvor mit Prospekten und Rabattcoupons dafür geworben hatten. Erst dadurch hatte die Stadt davon erfahren. Auch Walter Raab vom gleichnamigen Radhaus in der Saalestraße hätte nur all zu gerne auf seinen freien Sonntag verzichtet. "Es ist gerade Saison für uns und da tut es richtig weh, dass wir nicht öffnen durften", so ein verärgerter Raab. "Das ist ein Oberchaos. Mehr Chaos und mehr Imageschaden für die Stadt geht nicht", sagt er weiter. In seinen Augen herrsche eine unübersichtliche Rechtslage und es fehle an Kommunikation zwischen Stadt und Einzelhandel. Zwei Tage vor dem besagten Sonntag sei ihm und anderen Geschäftsinhabern - unter anderem den besagten Baumärkten - die Öffnung untersagt worden mit Verweis auf eine entsprechende gültige Verordnung der Stadt. Der Bad Neustädter Obi-Marktleiter Kim Brenke wollte auf Nachfrage dieser Redaktion keine weiteren Auskünfte geben. Er verweist auf den Hinweiszettel, der an der Eingangstüre ausgehängt war. Dort heißt es, dass die Stadt die Filialöffnung kurzfristig untersagt habe und man selbst enttäuscht sei. Der Verantwortliche von Toom konnte trotz mehrmaliger Versuche nicht erreicht werden.
Verordnung der Stadt regelt Öffnungsgebiet
In der Verordnung der Stadt vom 11. Februar 2019 heißt es im Paragraphen 1 wörtlich: "Die Verkaufsstellen, die im Rahmen der verkaufsoffenen Sonntage Öffnungen vornehmen, beziehen sich ausschließlich auf das Innenstadtkerngebiet bis zum Gebäudebereich der Siemensstraße sowie den zentralen Omnibusparkplatz. Und zwar am 12.05.2019, anlässlich der M-E-NES, jeweils in der Zeit von 12.30 bis 17.30 Uhr." Ansonsten droht eine Geldbuße von bis zu 5 000 Euro. Raab bemängelt dabei, dass diese Verordnung nicht richtig kommuniziert, sondern nur amtlich ausgehängt worden sei.
Ein Vorwurf, den sich Michael Weiß, der Geschäftsführende Beamte der Stadt Bad Neustadt, nicht gefallen lassen will. Der gesamte Entscheidungsprozess sei transparent gewesen mit einer Veröffentlichung der Verordnung im Stadtmagazin und auf der Internetseite der Stadt sowie über eine amtliche Aushängung am Rathaus. Außerdem hatte Weiß über die Entscheidung und Regelung der Stadt bei einem Treffen des Stadtmarketing-Vereins informiert, ein in seinen Augen insgesamt massiv betriebener Kommunikationsprozess. Dazu kommt eine Behandlung des Themas in einer öffentlichen Stadtratssitzung. Knapp eine Woche vor der Verabschiedung der Verordnung fand ein großer runder Tisch zu der Thematik statt, an dem auch Vertreter des Einzelhandels saßen. Überraschte und plötzliche Reaktionen von Verantwortlichen der Geschäfte, die nicht öffnen durften, könne er deswegen nicht nachvollziehen.
Aber warum durften Geschäfte außerhalb des Innenstadtgebietes im vergangenen Jahr noch öffnen und 2019 nicht mehr? Das hänge laut Weiß und Ordnungsamtleiter Fabian Helmerich mit Vorstößen der Gewerkschaft ver.di und der kirchlichen Arbeitnehmervertretungen seit Herbst 2018 zusammen. "Wir sind von diesen Einrichtungen wie auch andere unterfränkische Städte in den Fokus geraten und ins Visier genommen worden", so Michael Weiß. Diese haben sich schon länger zum Bündnis "Allianz für den freien Sonntag" zusammengeschlossen, gehen gegen verkaufsoffene Sonntage vor und pochen auf eine Einhaltung der rechtmäßigen Zustände. "Und deswegen nützt es uns auch nicht mehr, so zu verfahren wie noch in der Vergangenheit", erklärt Weiß. Er gibt auch zu, dass die Stadt in der Vergangenheit mit der geltenden Rechtsprechung recht locker umgegangen sei. Dass beispielsweise die Baumärkte an verkaufsoffenen Sonntagen teilgenommen haben, sei von der Stadt geduldet worden. Rein rechtlich gesehen hätten die Türen schon da geschlossen bleiben müssen. Nun habe die Stat laut Helmerich die ganze Angelegenheit rechtlich korrekt durchziehen wollen.
Bayern besitzt kein eigenes Gesetz
Und das Recht spielt bei verkaufsoffenen Sonntagen allgemein eine wichtige Rolle. Grundsätzlich ist im Grundgesetz der Schutz des Sonn- und Feiertages festgeschrieben. Im Ladenschlussgesetz des Bundes ist unter anderem geregelt, dass Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein dürfen. Es sei denn, die einzelnen Bundesländer haben eigene Gesetze erlassen: dann gelten diese. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern besitzt Bayern kein eigenes solches Gesetz.
Aufgrund der Initiativen von Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen sind in den vergangenen Jahren zudem einige Gerichtsurteile gefällt worden. So muss zum einen der Grundsatz eines zwingend notwendigen "prägenden Ereignisses" beachtet werden, was jüngst auf die Fahrzeugschau Elektromobilität zutraf. "Das Ereignis muss alleine für sich so eine Wucht entfalten, dass es Zuschauer anzieht und die Öffnung der Geschäfte in den Hintergrund tritt und nur noch eine Art Beiwerk darstellt", erklären Weiß und Helmerich. Einzelne Buden aufzustellen reiche da nicht mehr aus. Ein anderer entscheidender Punkt ist eine nötige, räumlich enge Begrenzung im Umfeld dieses Ereignisses. In einem Urteil von 2015 wird laut Weiß von etwa 500 bis 800 Metern Radius gesprochen. Die Öffnung von Geschäften, beispielsweise in einem Gewerbegebiet, wird untersagt.
Radius geht bis zur Siemensstraße
Im Falle von Bad Neustadt geht dieser Radius eben bis zur Siemensstraße. "Und zwar deshalb, weil wir die Entwicklung dieses Geländes im Teil eines Projektes 'Leben findet Innenstadt' über die nächsten Jahre und Jahrzehnte betreiben wollen und als Einheit ansehen", sagt Weiß. Damit hätten die Gewerkschaften auch kein Problem. Ein Grenzbereich in diesem Radius stelle laut Weiß unter anderem das Radhaus Raab dar.
Außerdem stellte Weiß klar, dass sich beispielsweise die Möbelgeschäfte Angermüller in Salz und Opti in Niederlauer nicht am verkaufsoffenen Sonntag in Bad Neustadt beteiligen dürfen: "Dort müssen die Gemeinden eigene Rechtsverordnungen verabschieden." Es darf deshalb durchaus bezweifelt werden, ob die verkaufsoffenen Sonntage dort in ihrer jetzigen Form so noch eine lange Zukunft haben. Hier wurden in der Vergangenheit unter anderem Flohmärkte neben den Geschäften veranstaltet, um das rechtlich nötige Ereignis zu schaffen.
Kreativität ist in Zukunft gefragt
Deshalb benötigen das Stadtmarketing und die Geschäftstreibenden fortan wohl kreative Ideen, um den Kunden ein Sonntags-Shoppingerlebnis zu ermöglichen. Oder aber es tut sich etwas in Sachen Rechtsprechung. Einen Vorstoß von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, ein eigenes Landesgesetz zu verabschieden, gibt es immerhin schon einmal.

Ob diese Entscheidung klug war von der Stadt Neustadt, wage ich doch
zu bezweifeln. Alleine die Geschäfte in der Innenstadt werden die Menschen nicht Sonntags nach Bad Neustadt locken - ohne Möbelhäuser, Baumärkte, etc. werden die nächsten offene Sonntage ein Rohrkrepierer.