Der GutsMuths-Rennsteiglauf – zugleich wohl der größte Crosslauf in Mitteleuropa-, zählt zu den beliebtesten Landschaftsläufen in Deutschland. Über 16 400 Starter, soviel wie nie zuvor, haben sich für die 40. Auflage am 12. Mai auf den verschiedenen Lauf- und Wanderstrecken im Thüringer Wald angemeldet. Darunter sind über 1000 Teilnehmer aus Bayern.
Auch für behinderte Menschen – wie für Rollstuhlfahrer – gibt es verschiedene Angebote. Antritts- oder üppige Preis-Gelder werden beim Rennsteiglauf bis heute nicht gezahlt. Die Königsdistanz führt dabei über 72,7 Kilometer von Eisenach in den zentralen Zielort Schmiedefeld.
Der einst beliebteste Breitensportklassiker der ehemaligen DDR hat nichts von seiner Faszination eingebüßt, im Gegenteil. Viele Läufer aus allen Bundesländern kommen seit dem Untergang der DDR alljährlich im Mai an den blühenden Rennsteig. Sie alle sorgen mit ihrer Teilnahme auch für wirtschaftliche Kontinuität und für strahlende Mienen bei den Organisatoren. Dies war nicht immer so. Die DDR-Sportführung – mit ihrem besonders unbeliebten DTSB-Präsidenten Manfred Ewald an der Spitze –, hatte an dem Breitensportereignis kein Interesse, zumal es anfangs der 1970er Jahre von Jenaer Studenten um den Orientierungsläufer Hans-Georg Kremer auf den Weg gebracht wurde. Weil die Unterstützung der DDR-Sportfunktionäre für die nichtolympische Disziplin Orientierungslauf immer mehr nachließ, sahen sich die Sportfreunde zur Eigeninitiative gezwungen. Sie wollten mit ihrer für damalige Zeiten spektakulären Idee, auf den Orientierungslauf aufmerksam machen.
Aus Mangel an geeignetem Kartenmaterial in der DDR kam man bei der Suche nach passendem Terrain für einen Langstreckenlauf auf den markierten Höhenkammweg „Rennsteig“ im Thüringer Wald. Nach mehreren Anläufen absolvierte am 13. Mai 1973 das Gründer-Quartett, darunter Hans-Georg Kremer, im Laufschritt 90 Kilometer von Eisenach nach Masserberg – in knapp zehn Stunden. An der Zweitauflage im Jahr darauf nahmen zwölf Athleten teil, durch Mundpropaganda waren es aber 1975 schon fast 1000 Läufer. Die ehrenamtlich agierenden Organisatoren stießen an ihre Leistungsgrenzen. Trotz des massenhaften Zuspruchs blieb dem Lauf anfangs die Unterstützung durch den Vorstand des DTSB versagt.
DTSB-Chef Ewald sagte, er brauche keinen zweiten Wasalauf in der DDR. Für viele Breitensportler hingegen war es eine große Herausforderung, in der Gemeinschaft die eigenen sportlichen Grenzen auszuloten, fern jeglicher übertriebener Partei-Propaganda. Die Veranstaltung wurde zunehmend zum Kult, aus der ganzen DDR pilgerten viele Laufsportbegeisterte alljährlich zum Rennsteiglauf. Die Nischenveranstaltung wirkte wie ein Affront zur offiziellen DDR-Meilenbewegung. Für den Thüringer Henner Misersky, er gehörte in den sechziger Jahren zu den besten DDR-Hindernisläufern, war der Rennsteiglauf „eines der letzten Abenteuer, was man in der DDR ausleben konnte“.
Überliefert ist auch, dass DTSB-Chef Manfred Ewald in Frauenwald, der nahe des Zielortes Schmiedefeld ein Ferienhaus besaß, einmal auf der Fahrt dorthin im Auto lange warten musste, weil just an diesem Tage der Rennsteiglauf stattfand und die Läufer Vorfahrt genossen. Er soll furchtbar getobt haben.
Unvergessen bleiben auch die regelrechten Schlammschlachten bei Schneeregen im Mai auf dem Rennsteig-Kammweg, der teilweise rücksichtslos als Transporttrasse für sowjetische Panzer in der DDR genutzt wurde. Einige dieser Fahrrinnen präsentieren sich dem aufmerksamen Läufer noch heute als Feuchtbiotope. Die DDR-Sportartikelindustrie hatte damals für die Breitensportler nur minderwertiges Schuhwerk mit harten Sohlen anzubieten. Was dann zwangsläufig bei vielen zur Blasenbildung führte, in damaligen Läuferkreisen wurde dies auch scherzhaft als „Luftbereifung“ bezeichnet.
Trotz vieler Schwierigkeiten und Restriktionen, „Ausländer“ (abgesehen von Gastarbeitern) durften laut Reglement zu DDR-Zeiten nicht teilnehmen, darunter zählten auch die Sportfreunde aus der Bundesrepublik, wurden diese Hürden durch pfiffige Einfälle öfters überwunden. „Die illegalen Teilnehmer aus Westdeutschland liefen mit der Startkarte eines DDR-Verwandten und verschwanden nach dem Zieleinlauf wieder gen Westen“, erinnert sich schmunzelnd Laufmitbegründer Kremer. Einige der früheren Stasi-Zuträger im Organisationsstab des Laufes sind auch heute noch tätig. Der langjährige Gesamtleiter des Laufes Volker Kittel und heutige Ehrenamtler war einst als Stasi-IM „Friedrich Jahn“ aktiv.
Ausgerechnet zum 40. Jubiläum sorgt nun eine besonders bemerkenswerte Stasi-Personalie für Kopfschütteln bei zahlreichen Läufern. Der im thüringischen Crock geborene Ex-Stasi-Hauptmann Manfred Witter aus Berlin, in der DDR im Mielke-Ministerium in der Abteilung „Terrorabwehr“ (die unter anderem auch die RAF unterstützte), damals zuständig für das Referat „Internationaler Terrorismus“, hat aktuell zum Rennsteiglauf-Jubiläum ein Buch herausgegeben. In ihrem im Buch abgedruckten Grußwort dankte ihm die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht persönlich. Auch der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach sowie die Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, Melanie Huml, haben nichts ahnend ein Grußwort für das Druckwerk geliefert. Witter, der in seinem Buch schreibt, ein guter Freund von Skisprung-Olympiasieger Helmut Recknagel und Eisschnelllauftrainer Joachim Franke zu sein, hat zahlreiche DDR-Sportstars für die diesjährige Prominentenwanderung am Rennsteig gewonnen. Dass ein solcher Ex-Stasi-Offizier jetzt durch die Hintertür den Rennsteiglauf für seine Selbstdarstellung benutzt, finden indes couragierte Sportler wie der Thüringer Henner Misersky einfach nur „skandalös“.