„Ich war als 15-jähriger Pfadfinder hier in Bad Neustadt als wir eine Tour von Thüringen nach Bayern machten. Wer hätte damals gedacht, dass ich den größten Teil meines Lebens hier verbringe.“ Ernst Mielke lächelt freundlich als er von dieser Begebenheit erzählt. Überhaupt kann der rüstige und geistig fitte 95-jährige noch sehr viel erzählen, von Berlin, von seiner Geburt, vom Krieg, von Siemens, von seiner Frau Gerda. Es sprudelt nur so aus ihm heraus, in seinem angenehmen Berliner Dialekt. Und immer hat Ernst Mielke ein mildes, gütiges Lächeln im Gesicht. Jetzt feierte der rüstige alte Herr seinen 95. Geburtstag im Casa-Reha-Seniorenpflegeheim in Bad Neuhaus.
Mielke wurde am 20. November 1918 in Berlin-Charlottenburg als jüngstes von zwölf Kindern geboren. Sein Vater Otto war SPD-Mitglied und Betriebsrat bei der Firma Siemens, seine Mutter Hedwig war gelernte Schneiderin. „Daher hatten wir immer gute Kleidung an“, erzählt Mielke fröhlich. Ab 1924 besuchte er die Leibniz Oberschule, eine Höhere Technische Lehranstalt (vergleichbar mit einer jetzigen FH) und machte dort seinen Abschluss. Danach begann er bei Siemens eine Lehre und ein Vorpraktikum zum Ingenieur-Studium. Daraus wurde aber nichts, weil Mielke am 1.April 1939 zum Reichsarbeitsdienst und danach, inzwischen war am 1. September der Krieg ausgebrochen, zur Wehrmacht eingezogen wurde. Mielke musste mit in Polen einmarschieren, wurde vier Wochen lang zum Westwall geschickt.
Es folgt die Entlassung zum Studium. Das klappte wieder nicht, weil Mielke nach drei Wochen wieder zum Militär beordert wurde. Dann folgten viele Stationen als Waffenmeistergehilfe. Mielke war in der Lausitz, nahm am Frankreichfeldzug teil und war an der russischen Grenze in Polen stationiert. Der damals 20-jährige marschierte beim Russlandfeldzug mit, bis März 1942. Anschließend wurde er zur Heereswaffenmeisterschule nach Offenburg geschickt und kam an die Ostfront und nach Jugoslawien. Das Kriegsende erlebte er in Linz in Österreich, wo er in amerikanische Gefangenschaft geriet. Im Juni 1945 wurde der entlassen und fuhr mit einem Güterzug, ohne Essen, sechs Tage lang Richtung Heimat. In Schweinfurt stieg er aus und wurde von einem LKW nach Bad Neustadt mitgenommen.
Hierher zog es ihn, weil seine Frau Gerda, die er 1944 in Breslau geheiratet hatte, in Brendlorenzen untergekommen war. Sein Bruder kam 1938 mit der Auslagerung der Firma Siemens von Berlin nach Bad Neustadt in die Saalestadt. So lag es nahe, dass Ernst Mielke bei Siemens eine Anstellung fand. 1946 wurde er Meister der Revision, 1964 wurde er zum Obermeister berufen. Von 1968 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1981 leitete Mielke die Abteilung QF.
Am meisten freute sich seine Ehefrau Gerda, dass ihr Mann nun zuhause bleiben konnte. Sie war zwischenzeitlich schwer erkrankt und fast blind. 1991 starb Gerda Mielke. Mielke wohnte 35 Jahre in der Ostlandstraße in der Gartenstadt. Später zog er in die Innenstadt, seit August 2010 lebt er nun im Seniorenpflegeheim in Bad Neuhaus und fühlt sich wohl. Die Geburtstagsfeier findet am Samstag statt mit Berliner Verwandtschaft und Freunden. Von der Stadt Bad Neustadt gratulierte stellvertretenden Bürgermeisterin Anne Zeisner mit Blumen und Geschenken.
