Viele Jahre, bis in den Zweiten Weltkrieg hinein, besaß die Sigismundkapelle in Oberwittigausen zwei Glocken und war mit ihrem einmaligen Klang weiträumig von der Anhöhe aus hörbar. Dann wurde eine der Glocken abmontiert und für Kriegszwecke der Nationalsozialisten eingeschmolzen. Der Heimatforscher, Kulturhistoriker und Autor Karl Endres erwähnte in seinem vor rund zwei Jahren erschienen Buch "Die Sigismund-Kapelle bei Oberwittighausen" unter anderem auch das Fehlen der zweiten Glocke durch Kriegseinwirkungen. "
Die ursprünglich allererste Glocke aus dem Jahr 1725 wurde gestohlen. Die jetzige ‚alte‘ und jüngst restaurierte Glocke wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegossen und angeschafft", hat Endres herausgefunden. Jetzt kommt also die zweite Glocke wieder hinzu und die Freude bei den Besuchern und Besucherinnen der Oktagonkapelle aus dem 12. Jahrhundert ist groß, denn die Kirche ist nun wieder "vollständig".
Segen von Pfarrer Störr
Pfarrer Oliver Störr segnete den Neuankömmling, bevor er im Glockenturm aufgehängt wurde. So eine Glockenweihe komme heutzutage nur noch selten vor, wusste der "Hausherr" zu berichten und umso stolzer war er, dass dieses Ereignis in seiner Zeit als Pfarrer passierte. Die Sigismundkapelle gehört zu seiner Seelsorgeeinheit und deshalb war er besonders froh, dass der Kulturverein Wittighausen sich an den Kosten beteiligen wollte.
Neben eigenen Mitteln hatte der Verein eine Förderung aus dem Leader-Projekt beantragt und auch erhalten. Etwa 80 Prozent der Kosten konnten so als Förderung in das Projekt einfließen, zu dem auch die Erzdiözese Freiburg gab einen gewissen Anteil hinzugab, schließlich handelt es sich um ein überregional bekanntes und bedeutsames Kirchlein. Nur noch die Ulrichskapelle in Standorf (bei Creglingen) und die Achatiuskapelle in Grünsfeldhausen seien ähnliche Bauwerke, die die Jahrhunderte überdauert haben, zeigte sich Alfred Beetz, Vorsitzender der Leader Aktionsgruppe Badisch-Franken, überzeugt von der Notwendigkeit der Unterstützung.
Gleichzeitig Kirchturm saniert
Neben der Anschaffung der zweiten Glocke wurde gleichzeitig der Kirchenturm saniert und auch die bisher schon vor Ort läutende Glocke wurde generalüberholt. Die in Sinn (Lahn-Dill-Kreis) bei der Kunst- und Glockengießerei Rincker neu gefertigte Glocke wurde konnte bereits Ende November angeliefert und dann zusammen mit der frisch restaurierten ersten Glocke geweiht werden, im Beisein von Oberbaubaurat Hanno Roters vom Erzbischöflichen Bauamt in Heidelberg, der Vorsitzenden des Kulturvereins Wittighausen, Margarete Gessner, und deren Stellvertreter Bernhard Henneberger. Für einen festlichen Schmuck in der Kapelle zur Weihzeremonie sorgte Mesnerin Gisela Schaub.
Am darauffolgenden Tag wurden beide Kirchenglocken im Turmgebälk der Sigismundkapelle installiert. Im Turm selbst konnten vorher schon Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, wie das Anbringen von Metallleitern oder Schutzgeländern, die bisher gefehlt hatten. Die erste Glocke ließ der Kulturverein Wittighausen bei der Firma Dürr in Rothenburg ob der Tauber einer Restaurierung unterziehen.
Kulturinteressierte Touristen
"Die Glocke ist uns sehr wichtig, denn sie ist Teil der christlichen Kultur und gehört zu einer Kirche wie zum Beispiel bei Gottesdiensten oder an Fest- und Feiertagen", betonte Margarete Gessner. Zudem dankte die Kulturvereins-Vorsitzende allen beteiligten Akteuren und Institutionen für deren Engagement sowie Unterstützung. "Der Tourismus um die Sigismundkapelle nimmt zu, es kommen immer mehr Kulturinteressierte", berichtete Gessner.
Der Kulturverein Wittighausen habe das Ziel und Anliegen, zukünftig feste Öffnungszeiten und Führungen anzubieten. Darüber hinaus warb die Vorsitzende für weitere Mitglieder. "Zum einen finanzieren sich viele Maßnahmen und Aktivitäten durch die Mitgliedsbeiträge. Zum zweiten benötigen wir die aktive Unterstützung möglichst vieler Mitwirkenden und auch jüngerer Menschen", verdeutlichte sie.