Nach zwei Jahren Umbau wird das Deutsche Musikautomaten-Museum wieder eröffnet. Die neue Ausstellung spannt einen weiten Bogen – von Musikschränken aus der frühen Neuzeit bis zum Musikhören auf dem Smartphone. Wenn Ulrike Näther von „neuen Medien“ spricht, hat die Museumsleiterin nicht unbedingt das Internet im Sinn.
Zwar gehört zur neu konzipierten Ausstellung des Deutschen Musikautomaten-Museums in Bruchsal nun auch das Musikhören in Zeiten des Internet-Streamings. Aber die Museumsleiterin sieht auch in den Kofferradios der 1950er Jahre zukunftsweisende, „neue Medien“. „Oft denken unsere Besucher, dass es bei uns um Jukeboxen geht“, sagt Näther. „Genau genommen liegen sie damit aber falsch.“
Neue Attraktion
Als Musikautomaten qualifizieren sich nämlich nur diejenigen Geräte, die Klangkörper oder Instrumente mit mechanischen Hilfen spielen. Geräte, die Tonaufnahmen speichern und wieder abspielen, zählen nicht dazu. Aber das Museum in Bruchsal blendet nach dem Umbau auch die Geschichte der Musikwiedergabe nach dem „Tod der selbstspielenden Instrumente“ nicht mehr aus.
So umspannt die Ausstellung einen weiten Zeitrahmen von einem um 1620 gebauten Kabinettsschrank mit Flötenhaus bis hin zum neuesten E-Piano. In Exkursen in den Museumsgängen erhält der Besucher Einblick in die Musikkonservierung nach den 1930er Jahren, als langsam auch die großen Tanzorchestrien mitsamt Pfeifen, Xylophon und Schlagzeug verschwanden. Beispiele dieser frühen „mobilen Diskos“ sind genauso zu sehen wie Massenfabrikate, die die Wohnstuben des Kleinbürgertums im Zuge der Industrialisierung beschallt haben.
Besonders stolz ist Näther auf eine neue Attraktion: ein begehbarer Teil des historischen Karussells „Die wilde Jagd“. Das 1930 gebaute Exponat ist von Bedeutung, weil es mit den Jahrmarktsorgeln ein Beispiel für die Art Musikautomat bietet, die auch den proletarischen Schichten zugänglich war – im Gegensatz zu den geradezu monströsen Orchestrien, die für ihre wohlhabenden Besitzer ganze Philharmonien imitieren sollten.
„Die könnte man auch heute kaum noch bezahlen. Ein Haus wären sie sicher wert“, schätzt Näther. Auch die Ausstellungskonzeption ist mit der Zeit gegangen: An Medienstationen können Besucher über Touchscreens und digitale Bilderrahmen Archivinformationen, Film- und Tonmaterial begutachten; an Aktionsbereichen können sie selbst tätig werden und etwa das Automateninnenleben nachstellen.
Dazu zieren grafisch aufbereitete Einführungstexte jeden Ausstellungsbereich. Neben der technischen nimmt die Ausstellung nun auch die wirtschaftlichen sowie die sozialen und kulturellen Aspekte der Musikautomaten unter die Lupe: Das reicht von kunsthandwerklichen Einzelanfertigungen in Form „klingender“ Möbelstücke für die Aristokratie und das vermögende Großbürgertum bis zur bewegenden Biografie des Drehorgelspielers Alfons Gluschke, der mit seinem Äffchen Amigo in den 1950er Jahren in Hamburg unterwegs war.
Beibehalten hat das Museum seinen Stummfilm-Kinosaal und das historische Wirtshaus mit Orchestrion, das aber nur bei Führungen zugänglich ist und als Veranstaltungsraum für den Förderverein und die Museumspädagogik dient. Beim Museumsfest vom 28. bis 29. Juni wird dort ein Café eingerichtet.
Mit Führungen, Konzerten und weiteren Programmpunkten wird dann die offizielle Eröffnung und das 30-jährige Bestehen des Museums und dessen Fördervereins gefeiert.
Vermenschlichte Technik
Mit seinen Hunderten Exponaten ist das 1984 gegründete Museum eine der weltweit größten öffentlichen Sammlungen von Musikautomaten. Ein besonderer Reiz liegt in seiner eigenwilligen Mischung aus Nostalgie und Science-Fiction. Diese wird auch bei den „Androiden“ deutlich. Diese Musikmaschinen in Menschen- und Roboterform, so erklärt Museumsleiterin Näther, sind frühe Beispiele des „Versuchs, die Technik zu vermenschlichen“.