Der „König der Salate“ ist wild wachsend: Nach einem einstündigen Spaziergang am Aalbach zwischen Wüstenzell und Dertingen ist das Körbchen voller Feldsalat.
Für die Menschen in früheren Zeiten war Feldsalat oft das einzige frische Grünzeug, das sie in den Wintermonaten ernten konnten. Leichter Frost macht ihm nichts aus. Die unscheinbare Pflanze mit den kleinen Blättchen verrät alleine schon wegen ihrer Namensvielfalt, dass sie vielerorts beliebt ist: Ackersalat (Schwaben), Wingertsalat (Pfalz), Mausohrsalat (Saarland), Rapunzelsalat (Thüringen), Sonnenwirbel (Baden), Schafsmäuler (Franken), Vogerlsalat (Österreich) und Nüsslisalat (Schweiz).
Wie die regionalen Bezeichnungen verdeutlichen, wächst er in unterschiedlichen Regionen. Ein Winter-Spaziergang am Aalbach brachte ein gutes Sammelergebnis. Bücken lohnt sich. Zu Hause folgt das Putzen, indem man den Wurzelansatz abschneidet und den Salat gründlich wäscht. Mit Essig, Öl, Salz, Pfeffer und kleingehackten Zwiebeln wandert er in die Salatschüssel. So erhält man ein natürliches Geschmackserlebnis ohne lange Transportwege auf höchstem Niveau. Freilich ist Supermarktware gleichmäßiger gewachsen und sieht besser aus, als sie tatsächlich schmeckt.
Wer sich auf den Weg machen will: Der Aalbach verlässt das Wohngebiet von Wüstenzell, dann folgen einige Gärten und danach beginnt die Wildsammlung. Wasserabweisendes Schuhwerk ist erforderlich; das Gras ist dort nass. Ein mäanderndes Bachbett muss auch mal überquert werden. Dort darf der Bach noch Bach sein.
Ein Baldriangewächs
Ein altes Wehr kündet von Zeiten, als die Wasserkraft des Aalbaches noch Müllern diente: die Holzmühle und Müller-Mühle bachaufwärts. Aber auch bachabwärts in Dertingen und Bettingen trieb das Wasser einst Mühlräder an.
Ungefähr einen halben Kilometer unterhalb von Wüstenzell verlässt der Aalbach nicht nur den Landkreis Würzburg, sondern auch den Freistaat Bayern. In diesem Bereich überquert eine Hochspannungsleitung das Tal, in dem sich der Aalbach, der Radweg und die Autostraße, die Wertheim und Würzburg verbindet, miteinander arrangieren.
Die Landesgrenze ist überschritten: Baden-Württemberg. Dort beginnt der Main-Tauber-Kreis und der nächste Ort ist der Wertheimer Stadtteil Dertingen. Man muss schon genau hinschauen, aber unter dem hohen, teils dürren Gras, findet man immer wieder kleine Büschel Feldsalat. Von allen Salatarten weist er den höchsten Vitamingehalt auf. Er gehört nicht zu den Blattsalaten, sondern ist ein Baldriangewächs.
Angeblich soll er beruhigend sein und schlechte Winterlaune vertreiben. Das stimmt zumindest insoweit, dass man sich beim Sammeln der kleinen Blattrosetten an der frischen Luft bewegt und die schöne Landschaft mit Blick auf den Weinort Dertingen eine aufheiternde Wirkung hat.
Seit dem Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln in der Landwirtschaft hat der Feldsalat als Wildpflanze an vielen Standorten resigniert. Als Kulturpflanze hat er dagegen einen Siegeszug angetreten. Gewächshäuser, Folientunnel – das, was im Laden zu haben ist, hat nur selten die Sonne so genießen dürfen wie die an Wuchshöhe eher zierlichen Exemplare am Aalbach.
Baden-Württemberg gilt inzwischen als eines der größten Anbaugebiete weltweit. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nimmt er bei den Gemüsebauern nach dem Spargel mittlerweile schon den zweiten Platz ein.
Stresskiller
Freilandware ist auch dabei, aber der Salat aus den Plastikschalen, meist abgepackt zu 150 Gramm, kann nicht mithalten, wenn es um den natürlichen, nussigen Geschmack geht. Der Kilopreis im Laden liegt bei rund zehn Euro. Erstaunlich, denn Schweinefleisch kostet im Sonderangebot weniger als die Hälfte.
Einige Wissenschaftler schreiben den Inhaltsstoffen des Feldsalates eine schützende Wirkung bei der Krebsvorbeugung zu. Die Naturheilkunde empfiehlt die Vitaminbomben besonders in der Schnupfenzeit. Feldsalat aus Wildsammlung ist zudem ein hervorragender Stresskiller.