Queen Elizabeth mag sie. Ihr Sohn Prinz Charles auch. Und weil das so ist, waren beide schon mal im kleinen Langenburg bei Schwäbisch Hall. Wibele, jenes kleine Gebäck zum Wein oder fürs Dessert, ist im britischen Königshaus so bekannt wie in weiten Teilen der Welt. Dass das so ist, mag seinen Grund in einer Mischung aus Adel, Mundpropaganda und Tradition haben. Glaubt man den Wibele-Fans, ist es vor allem die Tatsache, dass das Jahrhunderte alte Geheimnis um die Zubereitung auch das Geheimnis des Erfolgs ist.
Café-Betreiber hat extra seinen Job aufgegeben
Alles läuft in einem von außen unscheinbaren Haus in der Altstadt von Langenburg zusammen, im Café Bauer. Wibele-Nachahmer gibt es, doch die Familie von Café-Inhaberin Andrea Meidlinger hat seit 1911 ein Patent darauf, als einziger Anbieter „Echte Wibele“ herstellen zu dürfen. Alle zehn Jahre müsse dieses Patent verlängert werden, erklärt Andrea Meidlingers Mann Roland. Der 55-Jährige hat vor sechs Jahren seinen Job als Polizist aufgegeben, um seiner Frau bei der Wibele-Produktion zu helfen.
Erfolg basiert auf der Tradition
Auch Tochter Irina wollte Polizistin werden – und entschied sich kurz vor Ende der Ausbildung ebenfalls für die Wibele. Die 27-Jährige kümmert sich heute unter anderem um den Online-Shop. Dass sich die Meidlingers in nun achter Generation so intensiv dem nur 22 Millimeter langen Gebäck verschrieben haben, liegt in dessen Geschichte. Und die ist lang: Ein gewisser Jakob Christian Carl Wibel stellte 1763 zum ersten Mal die kleinen Dinger her. Damals hießen sie noch „Geduldszeltlich“, weil man eben viel Geduld für ihre Herstellung aufbringen müsse, heißt es in den Überlieferungen.
Wibel war Hofkonditor derer zu Hohenlohe-Langenburg und arbeitete schon damals in dem Haus, in dem heute das Café Bauer ist. Dem Langenburger Fürsten mundete das Gebäck derart, dass er in Anlehnung an den Namen des Erschaffers „nur noch Wibele“ haben wollte und eben nicht ähnliches Gebäck von Nachahmern.
Wie Daimler oder Spätzle
Später wurde das Wibele auf internationalen Ausstellungen präsentiert, allerlei Preise und viele Empfehlungen waren die Folge. So oder so: Für waschechte Schwaben gehören die Wibele schon immer zu ihrem „Ländle“ wie Daimler oder Spätzle.
Längst sitzen die Fans aber nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in der ganzen Welt. Das ist daran zu erkennen, dass die Meidlingers heute jeden Tag bis zu 40 Pakete mit Wibele verschicken – zum Teil bis nach Australien. Abnehmer sind Privatleute, aber auch Wiederverkäufer wie Hotels oder Feinkostläden. Der Versand mache 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus, erzählt Roland Meidlinger. Der Rest komme vor allem über das Café mit Wibele-Verkauf herein.
Eine Million Wibele werden pro Woche hergestellt Bis zu dreimal pro Woche werden die Wibele in einer überschaubaren Backstube des Cafés Bauer hergestellt – pro Backgang 130 Kilogramm, bis zu 300 000 Stück, also etwa eine Million pro Woche. Wer bei diesen Zahlen eine Fließbandproduktion erwartet, liegt falsch. Für die Familie Meidlinger und ihre Mitarbeiterinnen Sonja Nörr und Heidrun Bauer ist das viel Handarbeit.
Das beginnt schon an der gut 60 Jahre alten Maschine, wo oben der Teig eingefüllt und dann mit einer Art Schraubstock durch kleine Düsen auf ein Backblech gedrückt wird. Die Düsen haben die für Wibele typische Form einer Schuhsohle.
Nach dem Backen werden die Wibele in Tüten oder Dosen verpackt. Auch das ist im Café Bauer Handarbeit: Der trichterförmige Apparat steht im kleinen Büro – neben Lieferzetteln, Computer und Aktenordnern. Jede zu befüllende Verpackung muss in die Hand genommen werden. Serienabfüllung sieht anders aus.
Werbung für Wibele braucht es nicht
Der Erfolg des Wibele führte schon in der Anfangszeit dazu, dass auch andere Bäcker auf den Zug aufspringen wollten. „Viele haben es probiert, aber es ist nicht einfach“, sagt Roland Meidlinger. So tut ihm heute die Konkurrenz nicht wirklich weh. Werbung für seine „Echten Wibele“ müsse er nicht machen, die Nachfrage sei ein Selbstläufer. „Wir müssen da nicht viel machen.“
Einer der Erfolgsfaktoren ist für Meidlinger die Tatsache, dass er im Gegensatz zu den Nachahmern echte Vanille für die Wibele benutzt. Das lässt er sich Einiges kosten: Für 5 Kilo muss er einem Gewürzhändler aus Hamburg 2000 Euro bezahlen.
Touristen kommen extra aus dem Jagsttal hoch
Diese edle Zutat hat offenbar dazu beigetragen, dass im Archiv des Cafés Bauer Fanpost aus aller Welt liegt. „Meine Großmutter hatte schon Wibele“ oder „Das kann ohne Wibele kein Weihnachten werden“ ist da in Briefen zu lesen. Gerade im Sommer kommen regelmäßig Touristen aus dem Jagsttal extra nach Langenburg hoch, um Wibele zu kaufen, hat Andrea Meidlinger beobachtet.
Der Kult ums Wibele hat freilich auch eine andere Komponente: die Verbindung mit großen Namen. Im Eingang des Cafés der Familie Meidlinger hängt neben allerlei historischen Dokumenten ein Foto mit Fußball-Altstar Uwe Seeler, der einmal Besucher und Kunde war.
Besuch vom britischen Königshaus
Oder Prinz Charles und seine Mutter Queen Elizabeth: Sie weilten auch schon in Langenburg. Allerdings nicht allein wegen der Wibele: Der Mann von Königin Elizabeth, Prinz Philip, hat Beziehungen ins Jagsttal. Seine Schwester Margarita von Griechenland (1905-1981) heiratete 1931 Gottfried von Hohenlohe-Langenburg, einst Schlossherr ebenda.
So kam es, dass Prinz Charles 2013 bei einem Deutschland-Besuch im Café Bauer vorbeischaute. Auch die Queen war schon da. 1965 nahm sie Wibele aus Langenburg mit. Legendär ist die Begrüßungsrede des damaligen Langenburger Bürgermeisters Fritz Gronbach: Er war offensichtlich der Aussprache des Englischen nicht mächtig.
Bürgermeister hielt legendäre Rede
So lässt sich der Beginn seiner Queen-Begrüßung etwa so wiedergeben: „Jo Mädschesdi. Se Sitisens of Langenburg ar wäri gräitfull off se wisit.“ Auf einem Video ist zu sehen, wie die noch junge Queen sich während der kuriosen Ansprache ein Grinsen nicht verkneifen kann. Wie gut also, dass Wibele auch im Englischen Wibele heißen.
Fakten rund ums Wibele
Rezept: Obwohl die „Echten Wibele“ aus dem Café Bauer patentrechtlich geschützt sind, sind die Zutaten kein Geheimnis. Allein ihre Mischung mache den Unterschied aus, wie Café-Betreiber Roland Meidlinger sagt. Die genaue Mixtur ist Betriebsgeheimnis. So bleibt für Nachahmer dieses Rezept:
- 200 Gramm Mehl
- 200 bis 250 Gramm Puderzucker
- Eiweiß von 5 Eiern
- 1 Päckchen Vanillezucker
Puderzucker und Mehl fein sieben. Das Eiweiß zu steifem Schnee schlagen. Mehl und Puderzucker dazu mischen. Den Vanillezucker in den Teig unterheben. Auf ein mit Backpapier belegtes oder mit Butter bestrichenes Backblech jeweils zwei Teigtropfen mit Hilfe eines Spritzbeutels so aneinandersetzen, dass die Form eines Wibeles entsteht.
Das Blech mit den Wibele über Nacht im Zimmer stehen lassen (nicht abdecken). Auf diese Weise kann die Oberseite des Gebäcks antrocknen. Am nächsten Tag die Wibele im vorgeheizten Ofen bei 170 Grad (Ober-/Unterhitze) backen. Wichtig: Die Wibele sind schon nach 5 bis 7 Minuten fertig. Sie sollten hell bleiben.
Tipp: Langenburg als Heimat der Wibele ist schon wegen des Schlosses einen Besuch wert. Damit lässt sich eine Radtour im beschaulichen Jagsttal kombinieren. Das Schloss ist der Wohnsitz der einst adligen Familie Hohenlohe-Langenburg und kann in Teilen besichtigt werden. Es hat ein Museum, es gibt Führungen.