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STUTTGART/KARLSRUHE
Weniger Arten, dafür mehr Platz
Gehören laut Tierschützer nicht in den Zoo: Fast alle weisen laut Artenschutzexperten Verhaltensstörungen auf. DPA
Foto: Foto: | Gehören laut Tierschützer nicht in den Zoo: Fast alle weisen laut Artenschutzexperten Verhaltensstörungen auf. DPA
lsw
 |  aktualisiert: 23.01.2013 17:56 Uhr

Stillstand ist Rückschritt – nach diesem Motto investieren die Zoos im Südwesten Millionen in Gehege für Eisbär & Co.. Doch werden sie dadurch auch artgerechter? Tierschützer haben da erhebliche Zweifel.

Die großen Zoos in Baden-Württemberg boomen: Überall wird gebaut, und die Besucherzahlen sind hoch wie selten. In Karlsruhe und Heidelberg lagen sie 2012 nahe an den Spitzenwerten, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Auch die Wilhelma in Stuttgart erhofft sich einen kräftigen Besucherschub, wenn in diesem Jahr das neue, 22 Millionen Euro teure Menschenaffenhaus für Gorillas und Bonobos eröffnet wird.

Positivbeispiel

Rund 14 mal mehr Platz haben die Primaten dann in ihrem neuen Prachtbau, heißt es. Was ganz im Sinne der Tierschützer sein dürfte. Artgerechte Haltung bleibe bei Menschenaffen schwierig, sagte Artenschutzexperte James Brückner (34) vom Deutschen Tierschutzbund in München der Nachrichtenagentur dpa. Eine Gorilla-Aufzuchtstation wie in der Wilhelma sei schön und gut. Dennoch müsse man sich natürlich fragen, warum so viele Gorilla-Babys in europäischen Zoos verstoßen werden. Da stimme in manchen Zoos etwas bei den Zuchtbedingungen nicht.

Grundsätzlich müsse für die Zoos gelten: Weniger, und dafür besser, sagte Brückner. Sprich: Weniger Arten, die dann aber auch richtig Platz haben. Eisbären etwa gehörten einfach nicht in Zoos. „Fast alle weisen Verhaltensstörungen auf.“ Typische Auffälligkeiten seien etwa das stereotype Hin- und Herlaufen und ein monotones Kopfwackeln. „Trotz jahrzehntelanger Erfahrung mit den Eisbären wird es einfach nicht besser. Bei Delfinen ist es ähnlich.“ In freier Wildbahn würden Eisbären weite Strecken zurücklegen. Dies und die Jagd seien wichtig für sie. Und beides fehle in Karlsruhe oder Stuttgart.

Der Fachmann erkennt an, dass einige Einrichtungen sich um bessere Bedingungen für die Tiere bemühen. Der Heidelberger Zoo etwa beschreite seit zehn bis 20 Jahren einen guten Weg. Ein Positivbeispiel sei das Elefantengehege, das zwar mit 2500 Quadratmetern noch nicht riesig sei, aber reichlich Beschäftigungsmöglichkeiten biete. Neben einem Badebecken gebe es Futterverstecke, Heu-Netze und einiges mehr. Die Stuttgarter Elefantenanlage hingegen gehöre mit rund 830 Quadratmetern nutzbarer Fläche zu den kleinsten in Deutschland. Dabei würden die Dickhäuter sich am Tag mehr bewegen als ein Gepard.

Zoodirektor Dieter Jauch von der Wilhelma kündigte am Mittwoch an, dass die Stuttgarter Elefanten eine neue Anlage in Aussicht haben. Nach dem Großprojekt Menschenaffenanlage werde man das in Angriff nehmen. Zehnmal so viel Platz wie bisher verspricht Jauch. Doch zunächst mal muss die Menschenaffenanlage zu einem guten Ende geführt werden. Für die 22-Millionen-Euro Investition gab es jedoch einen Rückschlag. Deutschlands wohl kostspieligstes Affenhaus wird nicht – wie gehofft – bis Ostern fertig. Pfingsten ist nun das neue Ziel für die Eröffnung. Trotz der Affenhaus-Baustelle und laut Jauch „nicht immer perfekten Zoo-Wetters“ lockte der Zoo 2012 rund 2,24 Millionen Gäste an. Der Rekord stammt aus dem Wilbär-Jahr 2008 mit 2,42 Millionen Besuchern.

Rund 18,5 Millionen Euro steckt der Karlsruher Zoo in den Umbau des ehemaligen Tullabads in ein Exotenhaus mit Grotte, Felsenlandschaft und Uferzonen für Äffchen, Faultiere, Flughunde und Vögel. 2015 zum Stadtjubiläum soll es fertig sein. In diesem Jahr neu eröffnet wird das „Winter- und Schlechtwetterhaus“ für die vier Elefanten, das nach einem Brand des Elefantenhauses 2010 neu angebaut wurde. Ein weiterer Besuchermagnet ist die neue „Bergwelt Himalaya“: Dort entsteht derzeit das Gehege für kleine Rote Pandas und Chinesische Muntjaks, eine kleine Hirschart. Mit rund 1,4 Millionen kleinen und großen Besuchern erreichte der Karlsruher Zoo nach Angaben der Stadt 2012 fast den Spitzenwert von 2011.

Im Löwenkostüm gesammelt

Der Heidelberger Zoo investiert 2013 weiter in seine Elefanten- und Bärenanlage. Kurz vor Weihnachten sammelte Zoodirektor Klaus Wunnemann im Löwenkostüm auch für ein neues Gehege für den König der Tiere. Es soll im Herbst für rund 1,5 Millionen Euro gebaut werden. Der Zoo erwirtschaftet etwa 55 Prozent seiner Mittel selbst, vor allem über Eintrittsgelder. 2012 gab es einen Zuschuss der Stadt von 1,8 Millionen Euro. Für Neu- oder Umbauten investiert der Zoo laut Stadt dieses Jahr 1,6 Millionen Euro – für das Bärengehege, die Elefantenanlage, und eine neue Anlage etwa für Waschbären. Die Besuchszahlen 2012 waren nur „geringfügig geringer“ als im Rekordjahr 2011 mit 600 000 Besuchern.

Eröffnungstermin vertagt: Die Baustelle des Menschenaffenhauses im Zoologisch-Botanischen Garten Wilhelma.Foto: DPA
| Eröffnungstermin vertagt: Die Baustelle des Menschenaffenhauses im Zoologisch-Botanischen Garten Wilhelma.Foto: DPA
 
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