
Bärbel Schäfer, Journalistin, Autorin und Moderatorin, kam mit zweijähriger Verzögerung in die Gedenkstätte "die schul"-Synagoge Wenkheim und las aus ihrem Buch "Meine Nachmittage mit Eva". Coronabedingt war ihr geplanter Besuch 2020 ausgefallen.

In ihren zahlreichen Büchern beschäftigt sich Bärbel Schäfer kompromisslos mit der deutschen Vergangenheit und fordert andere auf, dies auch zu tun. Ihr Appell an die jetzige Generation: "Wehret den Anfängen." Aufkommen rechter Strömungen bis hinein in die Parlamente unseres demokratischen Staates seien ein Zeichen, dass sich in unserer Gesellschaft wenig geändert hat und dass Ähnliches wie vor acht Jahrzehnten immer wieder geschehen kann.
Begegnung zweier Frauen
In ihrem Buch "Meine Nachmittage mit Eva" geht es um Menschlichkeit, Herzenswärme und Gefühle. Erinnerungen der heute 89-jährigen, in Ungarn geborenen Eva Szepesi, die die Shoa im Vernichtungslager Auschwitz überlebte, trafen bei den Gesprächen in Frankfurt auf die Wahrnehmung und Beobachtungen der Journalistin jüdischen Glaubens in ihrem heutigen Leben. Zwei Generationen, zwei Frauen in zwei Erfahrungswelten. Gibt es in manchen Weltanschauungsbereichen schon wieder Parallelen? Was tun wir gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus?
Die Schilderung der unsäglichen Leiden, verursacht durch das diktatorische System, das Wachpersonal, die kaum vorstellbaren Demütigungen bei der Ankunft an der Rampe in Auschwitz, bezüglich Nahrung, Unterbringung und Zwangsarbeit, ließen die Zuhörer erahnen, wie es in einer Todesfabrik ohne menschliche Gefühle zugegangen sein könnte. Eva Szepesi: "Ich war nur eine Nummer A 26877, niemand zeigte auch nur ein wenig Mitleid mit einem 12-jährigen Mädchen." Überleben war große Glückssache. Der kleinste Fehler hätte zum Tod führen können. Große Stille herrschte während der Lesung, die Betroffenheit war den Interessierten teilweise anzumerken.

Mit der Befreiung durch die Rote Armee im Januar 1945 kehrte für Eva Szepesi noch lange nicht die Normalität in ihr Leben zurück. Wunden wurden in bestimmten Lebenssituationen immer wieder aufgerissen, Alpträume erinnerten oft an das Schreckliche. Sie lebt heute in Frankfurt und schildert ihr Schicksal in Vorträgen jungen Menschen. Dabei soll der Blick in die Vergangenheit verhindern, dass im gesellschaftlichen Zusammenleben Gleiches sich wiederholt.
Statement gegen das Vergessen und Schweigen
Bärbel Schäfer scheute sich in ihrem Buch auch nicht zu hinterfragen: „Auf welcher Seite wären wir damals gestanden?" "Wären wir schuldig geworden?" "Wie wären wir nach 1945 mit unserer Schuld umgegangen?" Am Beispiel ihrer eigenen Familie hat Bärbel Schäfer diese Fragen in ihrem Buch versucht zu beantwortet. Stillschweigen, Verdrängen, Jammern über die eigenen Verluste durch Kriegseinwirkungen erlebte sie bei Familienfeiern, wenn das Thema Krieg und Verfolgung zur Sprache kam. Die Lesung von Bärbel Schäfer war ein beeindruckendes Statement gegen das Vergessen, Verdrängen und Schweigen.