Verrauchte Bars, Raststätten, Kellerwohnungen: Flipperautomaten waren früher vor allem an zwielichtigen Orten zu finden. Inzwischen feiern die „Daddelautomaten“ ein Revival im Rampenlicht. Auch in Deutschland wächst die Szene. Ein leidenschaftlicher Zocker berichtet.
Im Internet kann man heutzutage alles finden – auch neue Leidenschaften. So ging es Frank Göltl aus Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen): Als er den Flipperautomaten im Besprechungsraum seiner kleinen Firma austauschen wollte, klickte er sich durch das Netz. Dort stieß er auf eine rege Szene, die sich über die Eigenarten der Geräte austauschte und über die persönlichen Rekorde. Wenig später war Göltl angetan. Und bald standen vier neue Flipper in seinem Unternehmen.
Viele Freispiele
Göltl ist 43 Jahre alt und muss grinsen, wenn er sich an sein erstes Mal an einem Flipperautomaten erinnert. Fünf Münzen rein, drei Minuten spielen, dann Frust. Danach rührte er 15 Jahre keinen Flipper mehr an. „Heute können es mit einem Geldeinwurf schon zwei Stunden werden“, sagt er. Der Automat spendiert ihm immer wieder Freispiele, weil Göltl weit überdurchschnittliche Punktzahlen erreicht. Doch das einsame Flippern reicht ihm nicht. Deshalb reist Göltl lieber zu Turnieren, wie zur Flipper-Weltmeisterschaft in die USA, bei der sich in Denver vom 23. bis 25. Mai die besten Zocker miteinander messen. Eigentlich dürfen nur die ersten zwei der nationalen Rangliste teilnehmen, und Göltl steht dort auf dem 16. Platz.
Aber die anderen Spieler wollten oder konnten nicht zur WM. „Manche waren schon mal dabei, anderen sind die Kosten zu hoch, um jedes Jahr mitzumachen“, sagte Göltl auch dem Stuttgarter Stadtmagazin „Lift“. Fernfahrerstatur, grauer Bart, Glatze: Auch wenn es lange gedauert hat, bis er seine neue Passion entdeckte: Frank Göltl passt ins Klischee. Flippern – da denken viele an eine Kneipensportart, die sich vor allem bei älteren Männern großer Beliebtheit erfreut.
Bestimmte Reihenfolge
Mit ein paar Hebeln eine Kugel über das Spielfeld katapultieren – das kann doch jeder, so die weit verbreitete Meinung. Die meisten wissen nicht, dass man die Ziele in einer bestimmten Reihenfolge treffen muss. Profis passen sich die Kugel von einem Hebel zum andern oder klemmen sie per hochgezogenem Hebel ein. So können sie gezielt schießen und bleiben selbst dann Herr der Lage, wenn der Automat mehrere Kugeln auf die Spielfläche feuert. In der Szene werden die Automaten kultisch verehrt.
Nüchtern betrachtet sind es Kolosse, die über 100 Kilo wiegen, mehrere Tausend Euro kosten und oft repariert werden müssen. „Über Flipperautomaten könnte ich mich drei Wochen unterhalten“, sagt Göltl. Seit er vor fünf Jahren mit dem Flippern begann, habe sich sein Freundeskreis vergrößert. Etwa 500 Deutsche würden sich intensiv mit dem Flippern beschäftigen, sagt Christian Bartsch, Präsident des Ersten Vereins deutscher Flipperfreunde. Aus dem öffentlichen Raum sind Flipperautomaten fast völlig verschwunden. Hohe Wartungskosten, geringe Nachfrage und die Vergnügungssteuer machten sie für Gastwirte unattraktiv, sagt Bartsch. Deshalb hat Göltl mit sieben Gleichgesinnten einen Keller gemietet, in dem nun 14 Flipperautomaten stehen.
Gute Trainingsbedingungen also, dennoch tritt Göltl unter 64 Teilnehmern bei der WM als Außenseiter an. US-Amerikaner dominieren internationale Flipperturniere. Wer mehr Punkte als der Gegner erzielt, ist eine Runde weiter. Göltl träumt davon, in die Play-offs einzuziehen, in denen sich die besten 32 Teilnehmer messen. Seine Frau wird ihn nicht nach Denver begleiten, sieht seine Flipperleidenschaft aber entspannt. „Ich bin in einem Alter, in dem viele Ehen zerbrechen“, meint Göltl, „und meine Frau sagt: Solang' ich keinen anderen Scheiß mache, ist das Flippern okay“.
Glanz in den Augen
Mit einer kurzen Pause reagiert er auf die Frage, ob seine Kinder auch flippern. Dann folgt die Erklärung: „Ich habe Töchter.“ Und sein Blick sagt den Rest: Mit dem Nachwuchs zu flippern, dürfte für ihn ein unerfüllter Wunsch bleiben. Dafür kann er sich über den Auftrieb freuen, den sein Sport gerade erfährt. „Man merkt das deutlich, weil jedes Jahr mehr Turniere stattfinden und die Automaten teurer werden“, sagt Göltl. Als Hauptgrund dafür nennt er das Medium, mit dem bei ihm alles begann. Computer mit vorinstalliertem Flipperspiel und Flipper-Apps sorgen laut Göltl dafür, dass mehr und mehr Leute einen echten Automaten ausprobieren möchten. Mancher hat danach vielleicht auch den Glanz in den Augen, wie er Menschen eigen ist, die ihre Leidenschaft gefunden haben. In Frank Göltls Blick ist dieser Glanz nicht zu übersehen.