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MANNHEIM
Vom Flüchtling zum Jungunternehmer
Alexej Swerdlow sitzt neben einem Monitor, auf dem ein von ihm entwickelte Überwachungssystem für medizinische Strahlentherapien zu sehen ist.
Foto: Mauel Daubenberger | Alexej Swerdlow sitzt neben einem Monitor, auf dem ein von ihm entwickelte Überwachungssystem für medizinische Strahlentherapien zu sehen ist.
lsw
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:07 Uhr

Migranten machen sich im Südwesten dreimal so oft selbstständig wie Deutsche – immer häufiger auch in wissensintensiven Bereichen. Einer von ihnen ist der gebürtige Usbeke Alexej Swerdlow, der intelligente Videoerkennungssysteme für die Strahlentherapie entwickelt.

Der Bildschirm zeigt zwei Menschen in einem Labor. Alexej Swerdlow tippt auf den Touchscreen, um die Tür zu schließen – dann eine Warnung. „Jetzt haben die Kameras selbstständig erkannt, dass neben dem Patienten noch eine unbeteiligte Person in der Strahlentherapie-Einrichtung ist und das Programm warnt, bevor die Sicherheitstüre geschlossen werden kann“, erklärt Swerdlow.

Das System zum Personenschutz in der Strahlentherapie, das der gebürtige Usbeke mit seinem Kollegen Timo Machmer entwickelt hat, sei in dieser Form einzigartig. Deshalb hätten sie bereits zehn der im Schnitt 50 000 Euro teuren Systeme an Krankenhäuser verkauft – ohne Werbung.

Gemeinsam mit seiner Familie floh Swerdlow aus Usbekistan als er 14 Jahre alt war. Zunächst kamen sie in einem Auffanglager im rheinland-pfälzischen Pirmasens unter. „Ich hatte das Glück, dass mich eine Deutsche mit Russischkenntnissen unterstützt hat.“ Die Frau sorgte dafür, dass er zur Probe auf die Realschule gehen konnte. „Das war sehr schwierig, nach dem ersten Tag wollte ich nicht mehr hin, aber meine Mitschüler waren sehr zuvorkommend“, sagt der 31-Jährige. „Mir hat es sehr geholfen, dass ich von Anfang an ein rein deutsches Umfeld hatte.“ So sei er gezwungen gewesen, Deutsch zu lernen.

„In meinem Leben gab es viele Zufälle, die mich dahin gebracht haben, wo ich heute bin“, erinnert sich Swerdlow. Einer dieser Zufälle war die Bekanntschaft mit Machmer. Die beiden lernten sich 1996 auf der Realschule in Ludwigshafen kennen, wohin die Swerdlows gezogen waren. Sie machten Abitur, studierten zusammen Technische Informatik in Mannheim und promovierten in Karlsruhe.

Schon bevor sie 2009 mit der Arbeit an einem menschenähnlichen Roboter ihren Doktortitel erwarben, wollten sie sich selbstständig machen. Ein Unternehmer, der Schutztüren herstellte, fragte sie, ob die Videoerkennung des Roboters auch für den Personenschutz in der Strahlentherapie eingesetzt werden könne. Daraufhin entwickelten die zwei das System und gründeten mit Hilfe eines Förderprogrammes ihr Unternehmen Opasca Systems GmbH.

Damit zählt Swerdlow zu einem immer wichtigeren Faktor für die Gesamtwirtschaft Baden-Württembergs: Existenzgründer mit Migrationshintergrund. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung an der Mannheimer Universität machen sich nur 80 von 10 000 Deutschen im Land selbstständig, bei Menschen mit ausländischen Wurzeln sind es 266. „Fast ein Viertel dieser Unternehmen ist in den modernen, wissensintensiven Dienstleistungen zu finden“, hatte Wirtschaftsministern Nils Schmid (SPD) vor kurzem bei der Präsentation der Studienergebnisse gesagt.

Die deutsche Staatsbürgerschaft bekam Swerdlow 2002. Seit drei Jahren ist er mit einer gebürtigen Deutschen verheiratet. „Als ich hier ankam, konnte ich mir nicht vorstellen, eine deutsche Frau zu haben. Ich dachte, was will die von mir, ich spreche ja gar kein Deutsch. Irgendwann war es dann selbstverständlich.“

Seit neun Jahren unterrichtet er Informatik an seinem ehemaligen Gymnasium. Er selbst habe sich von Anfang an in Deutschland wohlgefühlt, sagt Swerdlow. Gerade wegen der Unterstützung, die er nach seiner Ankunft bekam, sei er jetzt selbstständiger Unternehmer.

 
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