„Pop“ nennt sich das aktuelle Programm von Matthias Tretter, seit mindestens zehn Jahren ein guter alter Bekannter beim Kunstverein und mittlerweile zur ersten Garde der klassischen Sprech-Kabarettisten hierzulande zählend. Der 46-Jährige, heute in Leipzig ansässige Würzburger, der unlängst im vollen „Engelsaal“ wieder einen fulminanten Erfolg feierte, präsentierte sich als würdiger Vertreter seines fränkischen Volksstammes und dessen urwüchsig-satirischer Ader: Mit seiner unermüdlichen Spottlust, dem Vergnügen an halb freundschaftlichen, halb boshaften Sticheleien, an der grotesken Übertreibung, an ausgefallenen, bizarren Metaphern, die oft in wuchernde Stilblüten ausarten, und sprachschöpferischer Kraft, die sich im selben Zug aus fränkisch-bodenständiger Drastik und den bunt zusammengewürfelten, anglodeutschen Modernismen unseres 21. Jahrhundets speist.
Das schönste Beispiel dafür ist Tretters Geschöpf und Alter Ego, der grandios verlodderte „Ansgar“, ein promovierter aber berufsloser Ex-Student, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und ständig Pläne schmiedet, die nie zur Ausführung gelangen. Er spricht einen Jargon aus vulgärer, mundartlich gefärbter Umgangssprache mit linksintellektuellen Versatzstücken und pflegt ein resigniert fatalistisches Lebensgefühl – mit der hin und wieder aufblitzenden Scharfsicht des geborenen Außenseiters...
Matthias Tretter ist auch in seinem aktuellen Programm in erste Linie Gesellschaftskritiker, Politisches im engeren Sinne kommt auch vor, spielt aber eher eine Nebenrolle. „P.O.P.“(gesprochen „Bobb“) ist Ansgars neues Projekt einer „Partei ohne Partei“ und auch um übrigen ist dieses Programm eine Reise durch das zeitgenössische Absurdistan und eine Abrechnung mit den Auswüchsen des neudeutschen Zeitgeistes anno 2018: Mit Sottisen und Reflexionen über Gender-Fluid, Bio-Deppen und Identitäre, Donald Trump und David Bowie, Helene Fischer und Thilo Sarrazin (dem er Karl Dall als Vorbild empfiehlt), Auto-Aggression am Feierabend und allerlei Verschwörungstheorien. Dazu die Folgen der totalen Vernetzung, Kinder-Konsumenten und Helikoptereltern und gegen Ende auch philosophische und existenzielle Fragen, die Vorzüge des Atheismus oder der Fluch der von manchen versprochenen Unsterblichkeit... Das hatte immer sprachlich-gedankliches Niveau und hin und wieder sogar Tiefgang.
Zu seinem jüngsten Auftritt kam Tretter mit grellrot geschminkten Lippen, die merkwürdig von seiner gewöhnlich trocken-stoischen Miene abstachen und dem Gesicht etwas Maskenhaftes gaben. Es war die Narrenmaske eines zeitgenössischen Chronisten, der das bestiarium humanum und das theatrum mundi der Gegenwart mit scharfer, ätzender Feder nachzeichnet.
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