Warum so eine Veranstaltung in Tauberbischofsheim? Die Antwort auf die Frage lieferte nicht nur die DGB-Regionalsekretärin Silke Ortwein, sondern auch zwei Redner vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus. Rechtsextremisten gibt es überall. Und schon lange sind sie nicht mehr nur mit Springerstiefeln und Hakenkreuzen unterwegs.
Was im Laufe der Veranstaltung allerdings von den Mitarbeitern des Beratungsnetzwerks an Informationen gegeben wurde, war sicher auch für den ein oder anderen Zuhörer neu. Erschütternd waren vor allem die Fallbeispiele aus dem Kreis.
Grundfragen
Zuerst wurden der Ursprung und die Grundfragen geklärt: Was ist Rechtsextremismus und was wollen die Rechtsextremen? „Die extrem rechten Menschen wollen die Demokratie und die unabhängige Rechtsprechung abschaffen, einen Einparteienstaat einführen, die persönlichen Freiheitsrechte einschränken und vieles mehr“, analysierte der Redner und würzte diese Allgemeinaussagen mit konkreten Zitaten. Manche waren so hart, dass ein verächtlich-erstauntes Raunen durch die Reihen der etwa 40 Zuhörer ging.
Zu den rechtsextremen Hochburgen in Baden-Württemberg zählen Mannheim und Ludwigsburg. Dabei firmieren diese Kräfte nicht nur unter der NPD, sondern heißen „Anti-Antifa“ oder Junge Nationaldemokraten (JN). Allein von den Letztgenannten gibt es 13 Stützpunkte im Land. Gewalt ist an der Tagesordnung. Seit 1990 gab es in Deutschland 184 Todesopfer durch rechte Gewalt. Bei der Zahl muss fast jeder im Saal schlucken.
Als der zweite Mitarbeiter auf die konkrete Situation im Landkreis zu sprechen kommt, wird es noch erschreckender. So wählten beispielsweise bei der letzten Bundestagswahl rund ein Prozent der Bevölkerung klar rechts: die NPD, Republikaner, AfD oder Pro Deutschland.
„Was wir in den letzten Jahren immer mehr beobachten, ist der sogenannte kleine Grenzgang“, erklärt der Mitarbeiter. Rechtsradikale aus dem Raum Würzburg verlagern dabei gezielt ihre Aktivitäten in den Landkreis. Eine umfassende Chronologie solcher Ereignisse hat die Gruppe „Mergentheim gegen Rechts“ zusammengetragen.
Rechtsrockband
Inzwischen tauchen auch Fotos von Jugendlichen im Netz auf, wie sie beispielsweise zu einem Konzert einer Rechtsrockband fahren oder an neofaschistischen Demonstrationen teilnehmen und Banner tragen.
Aber die Mitarbeiter des Beratungsnetzwerkes analysieren nicht nur entsprechende Internetauftritte, sondern gehen Indizien nach, wie CDs, die verteilt werden oder Schmierereien an Wänden. Oft sind es auch Privatpersonen, die sich hilfesuchend an das Netzwerk wenden. Da kommen Nachbarn, die vom Hissen einer indizierten Flagge berichten, oder Eltern, die rechtsradikale Tendenzen bei ihren Kindern ausmachen. Gänsehaut bekamen die Zuhörer, als von einem Fall berichtet wurde, bei dem Kinder mit der rechtsradikalen Gesinnung ihrer Eltern nicht zurecht kamen und Hilfe suchten. Auch das gebe es im Kreis, versicherte der Mitarbeiter.
„Wenn wir auf die Politik und Polizei warten, warten wir zu lange“, sagt Silke Ortwein. Sie forderte alle Anwesenden auf, sich mutig dem rechten Gedankengut entgegenzustellen. „Extremes Rechtsdenken ist keine Randerscheinung“, mahnt sie.
Der Film „Blut muss fließen“, soll auf Vorschlag des Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Tauberbischofsheim Gerd Koch in naher Zukunft für alle Interessierten im Tauberbischofsheimer Kino gezeigt werden. Im Film wird deutlich, wie schnell das Gehabe und die Ideologie der Rechtsextremen bei jungen Leuten auf fruchtbaren Boden fallen kann und wie schnell sie Sneakers gegen Springerstiefel tauschen.