
Es sind diese drei Tage, in denen alles anders ist: aus Beschaulichkeit wird Krawall, aus Zurückhaltung Maßlosigkeit und aus Eitelkeit Gleichgültigkeit. Es ist eine kurze Flucht aus dem Alltag. Drei Tage die gleiche Badehose tragen ist da genau so selbstverständlich wie Bier zum Frühstück und Ganzkörper-Tierkostüme. Denn am Wochenende pilgerten sie wieder ins Taubertal: Die Musikjunkies, Partytiger und Langzeitcamper.
Etwa 17.000 Menschen waren es in diesem Jahr. Das 20. Taubertal Festival im mittelfränkischen Rothenburg ob der Tauber zieht an – mit vielen nationalen und internationalen Musikgrößen: Kraftklub, Marteria, Dropkic Murphys, The Offspring, Farin Urlaub oder die Beatsteaks. Zum runden Geburtstag des Festivals war musikalisch einiges geboten. Doch die eigentliche Party fand Drumherum statt. Wer sein Zelt nicht im Tal aufschlug, hatte vom Campingplatz „Berg“ aus einen strammen Fußmarsch von etwa 30 Minuten zum Konzertgelände zurückzulegen. Den bewältigte der findige Festivalbesucher aber natürlich nicht zu Fuß. Bobbycar-Rennen hinab ins Tal haben sich inzwischen etabliert.
Viele der Besucher waren bereits am Donnerstag angereist. Wer am späten Abend im Partybereich „Steinbruch“ unter anderem die Punkrocker „Sondaschule“ sehen wollte, musste rechtzeitig da sein. Die Feierzone war schnell wegen Überfüllung geschlossen. Polizei und Sicherheitsleute sperrten den Bereich ab, was viele nicht einfach so hinnehmen wollten. Spontan skandierte die Menge: „Die Mauer muss weg, die Mauer muss weg!“
- Webseite des Taubertal-Festivals
Die Besucher zeigten aber auch am Freitagabend noch Ausdauer. Felix Brummer, Sänger der Band „Kraftklub“, honorierte das auf seine ganz eigene Weise: „Wenn ich Fan von uns wäre, würde ich trotzdem nicht hier sein. Ich würde vermutlich fertig im Zelt liegen.“ Fertig ist die Menge dann aber spätestens nach dem Konzert der Chemnitzer. Mit Bengalow-Feuer und ausschließlich schnellen Nummern halten sie das Publikum im Atem – und baden in der Menge. Ähnlich viel los ist beim Rapper Marteria, der am Samstagabend als Hauptact auf der großen Bühne eine riesige Party feiert.
Bei ruhigen Liedern vom Farin Urlaub Racing Team werden Feuerzeuge in der Luft geschwenkt – ein bisschen Musikromantik, die im Smartphone-Zeitalter längst nicht mehr an der Tagesordnung liegt. Die besondere Kulisse des Taubertals gibt den Konzerten aber ganz von selbst eine besondere Atmosphäre. „This ist gourgeous“ – das ist wundervoll – müssen auch die US-Amerikaner von „The Offspring“ zugeben.
Wundervoll ist für viele schon ein kühles Getränk oder eine kalte Dusche. Bei einer Rekordhitze von 40 Grad am Freitag ist es in den Zelten schon um acht Uhr am Morgen brüllend heiß. Alles, was zu füllen ist, wird zu den Wasserhähnen geschleppt: Plastikflaschen, Wasserpistolen, Kisten und Kanister. Wem der Weg nicht zu weit ist, der nimmt ein Bad in der Tauber. Das sehnsüchtig erwartete Hitzegewitter bleibt aus und so wird das gesamte Wochenende viel Wasser verbraucht. Das führt gelegentlich dazu, dass die Duschen mehrere Minuten nicht laufen und am späten Abend abgesehen von den Dixi-Toiletten alles geschlossen ist. Das ärgert aber nur den, der sieben Euro in die „Shit & Shower“-Flatrate investiert hat. Trotz der anstrengenden Temperaturen sind sich Veranstalter und Besucher einig: lieber Staub als Schlamm.