Eine tolle Nummer: Franziska Wanninger hielt ihr Publikum beim Kabarettabend im ausverkauften Engelsaal des Kunstvereins fast zwei Stunden lang in Atem – oder ließ es vor Lachen kaum mehr zu Atem kommen. Vom Typ her derb–naive, blondlockige „Unschuld vom Lande“, die es faustdick hinter den Ohren hat – zum Reinbeißen süß und zugleich eine Vollblutkomödiantin mit frechem Maul und umwerfender Bühnenpräsenz, die bei ihrem ersten Gastspiel keine Minute Langeweile aufkommen ließ.
Blitzschnell wechselnde Rollen
Die 37–jährige Niederbayerin ist nicht nur ein komödiantisches Naturtalent, sondern besitzt auch eine Menge spezieller Talente. Sie kann vor allem glänzend imitieren und parodieren. Ihre blitzschnell wechselnden Rollen, die sie in ihrem 2018 zum ersten Mal präsentierten Programm „Furchtlos glücklich“ auf die Bühne bringt, sind bis ins Letzte detailgenau und professionell ausgestaltet.
Durchs Programm ziehen sich die diversen Ängste der heutigen Zeit, in der alle Lebensrisiken und Unvorhersehbarkeiten minimieren werden sollen, was aber nicht restlos gelingen kann. So gibt es die Ängste immer noch: die Bindungsangst, die Flugangst, die Angst vor Fleisch, vor Klassentreffen und andere mehr.
Therapeutin, Tante und Zahnarzt
Gott sei Dank gibt es Strategien zur Angstüberwindung und sogar Seminare, wo eine gewisse "Melissa", ihres Zeichens Therapeutin und Seminarleiterin, mit Rat und Tat zur Seite steht. Melissa ist eine gleichermaßen exzentrische und betuliche Tante, deren mimisch lebensechtes Porträt zu den Glanznummern der Vorstellung gehörte. Höhepunkte waren ebenfalls die Zugehfrau mit ihrer ruppigen und besitzergreifenden Fürsorglichkeit oder die grummelnde "Brigitte", das in zahllosen Schlachten erfahrene und abgehärtete Schlachtross unter den Oktoberfest-Bedienungen. Daneben die schwäbelnde "Christine", „Udo“, der begriffsstutzige und geschäftstüchtige Zahnarzt, der ihre verliebten Annäherungsversuche nicht wahrhaben will, oder die eingebildete Influencerin, die ihre banalen Alltagsrituale unvergleichlich und deshalb mitteilenswert hält.
All das sind natürlich Klischeefiguren und trotzdem wirken sie dank der parodistischen Präzision und Vehemenz der Akteurin ganz aus dem prallen Leben gegriffen. Kabarett mit Tiefgang war an diesem Abend im Engelsaal sicher nicht angesagt, aber glänzende und zündende Unterhaltung war es allemal.