(dpa/lsw) Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 verstärkt den Druck auf den Bahn-Aufsichtsrat. Die Gegner des Milliardenvorhabens warnen das Gremium in ihrem zweiten Brief wenige Tage vor dessen Zusammenkunft, durch das Festhalten an Stuttgart 21 dem Konzern Vermögensschaden zuzufügen und damit gegen Aktien- und Strafrecht zu verstoßen.
Am kommenden Mittwoch wird der scheidende Bahnvorstand und für Stuttgart 21 bislang zuständige Manager Volker Kefer im Aufsichtsrat die Kernpunkte des Bundesrechnungshof-Berichts und des KPMG-Gutachtens zur Kosten- und Terminplanung gegenüberstellen. Die Wirtschaftsprüfer sagen eine Zeitverzögerung von bis zu drei Jahren, aber keine gravierenden Kostenüberschreitungen für das von der Bahn auf bis zu 6,5 Milliarden Euro kalkulierte Projekt voraus.
Die Gegner führen dagegen ins Feld, dass KPMG nach eigenen Aussagen nur mit Daten der Bahn gearbeitet habe und nicht einmal sicher sei, ob diese vollständig seien. Der Bundesrechnungshof erwartet eine Kostenexplosion auf bis zu neun Milliarden Euro.
Bahnchef Rüdiger Grube bezifferte erstmal in der „Stuttgarter Zeitung“ die Beiträge der Projektpartner für einen Risikopuffer von 1,45 Milliarden Euro. Demnach sollen Land, Stadt und Flughafen insgesamt 947 Millionen Euro zahlen, die Bahn 383 Millionen Euro. Die Projektpartner der Bahn weigern sich, mehr als die zugesagten Summen zuzuschießen - wogegen die Bahn noch in diesem Monat Klage erheben will.
Der Bahnvorsitzende betonte in dem Blatt: „Ich stehe einhundertprozentig zu diesem Projekt, und so wird das auch bleiben.“ Ende November hatte der „Spiegel“ noch berichtet, dass Grube sich auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes Führungskräfte Deutscher Bahnen von dem Vorhaben distanziert habe. „Ich habe Stuttgart 21 nicht erfunden und hätte es auch nicht gemacht“, sagte er nach Angaben des Magazins.
Aus Sicht der Gegner von Stuttgart 21 ist ein Ausstieg aus dem Projekt auch heute noch möglich - fast sieben Jahren nach dem Baubeginn. Veranschlagt werden dafür Aus- und Umstiegskosten von 3,65 Milliarden Euro, so dass sich im Vergleich zu den Berechnungen der Bahn noch eine Ersparnis von 2,9 Milliarden Euro ergebe. Kern der von den Gegnern vorgeschlagenen Alternative ist, den bestehenden Kopfbahnhof zu modernisieren und über das Neckartal mit Wendlingen und der Neubaustrecke nach Ulm zu verbinden.
Ferner macht das Bündnis auf die - von der Bahn bereits bestrittenen - Risiken der Tunnelbohrungen durch den quellfähigen Anhydrit aufmerksam. Sie könnten nicht nur enorme Sanierungskosten, sondern auch massive Probleme für die Nutzer des Schienenverkehrs nach sich ziehen. Aus Sicht des Bündnisses genügt das Konzept „Umstieg 21“ als einziges dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit, der Rechtmäßigkeit und der Zweckmäßigkeit, die Vorstand und Aufsichtsrat der Bahn anlegen müssten.