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STUTTGART
Streit über sexuelle Vielfalt im Unterricht
Deutlicher Hinweis: Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion im baden-württembergischen Landtag, Stefan Fulst-Blei, hält im baden-württembergischen Ausweich-Landtag während seiner Rede eine Ausgabe der Bild-Zeitung vom 10. Januar in seinen Händen.
Foto: DPA | Deutlicher Hinweis: Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion im baden-württembergischen Landtag, Stefan Fulst-Blei, hält im baden-württembergischen Ausweich-Landtag während seiner Rede eine Ausgabe ...
Redaktion Süd
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:40 Uhr

Die Diskussion um das Thema sexuelle Vielfalt im Unterricht ist im Landtag angekommen. Mehr Toleranz wollen sie alle – nur der Weg dahin ist höchst umstritten. Der Kultusminister zitiert sogar den Papst.

Toleranz, Respekt, Achtung – mit gewichtigen Schlagworten hat der Stuttgarter Landtag am Mittwoch ganz grundlegend über den umstrittenen Bildungsplan der Landesregierung debattiert. Soll die Akzeptanz sexueller Vielfalt stärker als bisher zum Unterrichtsthema werden? Grün-Rot und Schwarz-Gelb prallten bei diesem Thema unversöhnlich aufeinander. Was den Homosexuellen einmal mehr gar nicht recht gewesen sein dürfte: Denn sie wollen keine Sonderrechte, sondern Normalität.

Grabenkampf

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) verteidigte den kritisierten Entwurf der grün-roten Koalition für den neuen Bildungsplan 2015. Ziel sei nicht die Umerziehung der Kinder. „Wir können nur ein Ziel haben: Wir müssen die Menschen in diesem Land in einem Klima der Offenheit und des Respekts gegenüber allen Merkmalen – und eben auch gegenüber den Merkmalen der sexuellen Orientierung – erziehen.“

Ehe und Familie seien „für diese Gesellschaft eine tragende Säule, aber das bedeutet noch lange nicht, dass andere Lebensformen abgewertet werden müssen“, sagte Stoch. Grundsätzlich sei das Thema aber viel zu wichtig, „um es in einen parteipolitischen Streit zu ziehen“. Der Minister zitierte sogar den Papst: „Wer bin ich, dass ich darüber urteilen dürfte.“

CDU-Fraktionschef Peter Hauk hingegen ist überzeugt, dass eine Mehrheit im Land gegen eine Überhöhung des Themas Homosexualität im Schulunterricht ist. Toleranz allgemein müsse das Leitthema des Bildungsplans sein, ohne einzelne Gruppen herauszugreifen. Die Pläne von Grün-Rot stünden gegen einen „gesamtgesellschaftlichen Konsens“. Die Landesregierung wolle den Bildungsplan einseitig verändern – „mal wieder, ohne alle zu hören“.

Man gewinne den Eindruck, Grün-Rot wolle die sexuelle Vielfalt zum „Leitprinzip der Leitprinzipien“ im Bildungsplan machen, sagte der FDP-Abgeordnete Timm Kern. Dadurch sei ein „unnötiger Grabenkampf“ entstanden, den die Regierung zu verantworten habe. „Wären Sie bei dem bisherigen Toleranzbegriff geblieben, wäre uns diese Debatte erspart geblieben.“ Grün-Rot strebt an, dass Schüler im Unterricht künftig stärker über sexuelle Vielfalt und unterschiedliche Formen des Zusammenlebens informiert werden. Eine Online-Petition gegen den Bildungsplan hatten bis zum frühen Mittwochnachmittag mehr als 157 000 Menschen unterzeichnet. Zwei entgegengesetzte Petitionen bekamen jeweils über 80 000 und 130 000 Einträge. Es sei „erschreckend“, mit welchem Fanatismus teilweise diskutiert werde, sagte die Grünen-Abgeordnete Brigitte Lösch. Es zeige sich mehr als deutlich, wie „dringend notwendig“ es sei, diese Debatte in der Öffentlichkeit zu führen. Ziel sei es, die Lehrer fit zu machen, um das Thema sexuelle Vielfalt im Unterricht angemessen behandeln zu können. Lösch sagte, es zeige sich, wie wichtig der Wechsel von Schwarz-Gelb zu Grün-Rot für ein weltoffenes und tolerantes Baden-Württemberg gewesen sei.

Ängste ernst nehmen

Aus Sicht von Homosexuellen droht Grün-Rot aber bei dieser Gleichstellung über das Ziel hinauszuschießen. „Die Richtung ist richtig, aber man muss die Gesellschaft mitnehmen“, sagte der Organisator des schwul-lesbischen Christopher Street Days (CSD) in Stuttgart, Christoph Michl, der Nachrichtenagentur dpa.

Die Petition gegen den Bildungsplan zeige, dass es Ängste in der Gesellschaft gebe. „Die muss man ernst nehmen.“ Kontraproduktiv sei zum Beispiel auch die gut gemeinte Aktion von Grün-Rot gewesen, die Regenbogen-Flagge der Homosexuellen auf dem Neuen Schloss zu hissen. Schließlich wolle man keine Sonderrechte, sondern Normalität.

 
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