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Allersheim
Stolpersteine und Restaurierung: Erinnerungskultur in Grünsfeld
Von links: Wolfgang Sommer und Franz Ködel am renovierten Grabstein von Siegfried (Simon) Rothschild.
Foto: Ulrich Feuerstein | Von links: Wolfgang Sommer und Franz Ködel am renovierten Grabstein von Siegfried (Simon) Rothschild.
Bearbeitet von Ulrich Feuerstein
 |  aktualisiert: 15.10.2021 02:35 Uhr

Erinnern, nicht vergessen: Der Grabstein von Siegfried (Simon) Rothschild erstrahlt wieder in neuem Glanz. Er war der letzte der Grünsfelder jüdischen Bürger, der auf dem Friedhof in Allersheim 1937 bestattet worden ist. Steinmetz- und Bildhauermeister Wolfgang Sommer hat in den vergangenen Wochen den Grabstein restauriert.

"Das war keine einfache Aufgabe", betont Wolfgang Sommer nach Abschluss der Arbeiten. Zuerst hat er den Stein von Moosen und Flechten gereinigt, dann die Flächen geschliffen und zuletzt die Schrift nachgemalt. Die hebräischen Buchstaben genau zu bearbeiten, stellte ihn vor große Herausforderungen. Bei der ihm unbekannten Schrift wollte er schließlich keine Fehler machen. Sein Glück: "Der Verwitterungsprozess war nicht allzu weit fortgeschritten, und die Schriftseite ist dem Wetter abgewandt."

Nachkommen halfen mit

Hilfe erhielt Wolfgang Sommer von der Familie Rothschild. Genauer: Von Ronny Rothschild, dem in Aachen lebenden Enkel von Siegfried Rothschild. Er hat historische Aufnahmen zur Verfügung gestellt. Auf ihnen war beispielsweise eine Zeichnung mit den hebräischen Buchstaben zu sehen. Er war es auch, der die Renovierung veranlasst hat.

Die Inschrift lautet in der Transkription: Davidstern innen: "Hier Ruht / Mein Aufrichtiger, barmherziger treuer Ehemann und Vater, / Rabi (Herr) Schlomo genannt Siegfried aus der Familie Rothschild. / Er starb im guten Namen am Ausgang des heiligen Schabbat, am 3 Kislev 5698." Gemeint ist der dritte Monat im jüdischen Kalender, der die Jahre ab dem Zeitpunkt der biblischen Schöpfung der Welt zählt. Die Inschrift endet mit dem Wunsch: "Seine Seele möge eingebunden sein im Bund des Lebens." Das bedeutet so viel wie: "Er soll nicht vergessen werden."

Die Restaurierung war nicht einfach: Steinmetz- und Bildhauermeister Wolfgang Sommer wollte keine Fehler machen.
Foto: Ulrich Feuerstein | Die Restaurierung war nicht einfach: Steinmetz- und Bildhauermeister Wolfgang Sommer wollte keine Fehler machen.

Bemühungen um angemessene Erinnerungskultur

"Wolfgang Sommer ist mit großer Geduld und Akribie vorgegangen", lobt Franz Ködel das Ergebnis. Der Gemeinderat und ehemalige Realschullehrer beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Geschichte der Grünsfelder Juden. Seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass diese nicht in Vergessenheit gerät. Ködel koordiniert die verschiedenen Unterstützer dieser Bemühungen um eine angemessene Erinnerungskultur und hält den Kontakt zu Ronny Rothschild und seinen Verwandten in New York und Israel. Zu Siegfried Rothschild hat er eine besondere Beziehung. "Meine Mutter hatte mir öfter von dieser Beerdigung erzählt", erinnert er sich.

Auskunft über Siegfried (Simon) Rothschild gibt die von Ronny Rothschild und seiner Cousine Grete Finkelstein in New York verfasste Familienbiographie. Dort ist nachzulesen, dass Siegfried Rothschild am 19. Juli 1870 in Grünsfeld geboren wurde. Gestorben ist er am 7. November 1937 im Würzburger Juliusspital an Krebs. Ihm ist somit der Tod durch die Nazidiktatur erspart geblieben, jedoch wurde er irgendwann auch verhaftet.

Auszug aus der Familienbiografie

Am 17. Juni 1902 heirateten Siegfried Rothschild und Rosa, geb. Bierig, in Edelfingen. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor: Irma, Bruno, Max, Ritha, Ernst (starb im Alter von 13 Tagen), Emil, Elly, Justin, Klementine. Sie alle kamen in Grünsfeld zur Welt. Siegfried Rothschild hat als Soldat im Ersten Weltkrieg gedient. Zu welcher Einheit er gehörte, konnte Ronny Rothschild noch nicht ermitteln.

1924 gehörten 52 Personen zur jüdischen Gemeinde in Grünsfeld. Das waren immerhin 3,6 Prozent der insgesamt 1600 Einwohner. Gemeindevorsteher waren Siegfried und Samuel Rothschild sowie Moriz und Leopold Sichel. Vorsitzender des Synagogenrates war Oskar Schiller. Bis 1932 gab es Religionsunterricht. Der Lehrer kam aus Tauberbischofsheim.

Siegfried Rothschild – das hat Enkel Ronny herausgefunden – war ein erfolgreicher Viehhändler. Er kaufte sich ein großes Haus in der heutigen Abt-Wundert-Straße für zehn Bewohner. Zu dem Haus gehörte eine Scheune, in der das Vieh gehalten wurde. Es gab da auch einen Brunnen.

Eine Tafel mit QR-Code gibt Auskunft über die Biographie von Siegfried (Simon) Rothschild.
Foto: Ulrich Feuerstein | Eine Tafel mit QR-Code gibt Auskunft über die Biographie von Siegfried (Simon) Rothschild.

Flucht nach Israel und Paraguay

Von den acht erwachsenen Kindern konnten sieben, teilweise unter äußerst dramatischen Umständen, vor den Nationalsozialisten ins Ausland fliehen, zum Beispiel nach Israel oder Paraguay. Nur Irma Baer, geborene Rothschild, gelang dies nicht mehr. Sie wurde zusammen mit ihrem elfjährigen Sohn Walter ermordet.

Am 22. Oktober 1940 wurde Rosa, Siegfried Rothschilds Ehefrau, zusammen mit anderen badischen und pfälzischen Juden nach Gurs in Südfrankreich unweit der spanisch-französischen Grenze deportiert. Dort verstarb sie nach wenigen Monaten an den Folgen der menschenunwürdigen Unterbringung.

Ende Oktober sollen für die Holocaust-Opfer der Familie Rothschild vor dem ehemaligen Wohnhaus Stolpersteine verlegt werden. Künstler Gunter Demnig, der Initiator des Projekts, hat sein Kommen zugesagt. Auch Ronny Rothschild, der einzige in Deutschland lebende Nachfahre, lässt es sich nicht nehmen, zu diesem besonderen Ereignis nach Grünsfeld zu kommen.

 
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