Bei Aufräumarbeiten wurde in Großrinderfeld der 50. Jahresbericht des Gymnasiums Tauberbischofsheim zum Abschluss des Schuljahrs 1933/34 gefunden. Er gibt Aufschluss über die damaligen Verhältnisse und Tendenzen in der Lehranstalt, die sich zu dieser Zeit noch in der Hauptstraße, dem heutigen Polizeirevier befunden hatte.
Detailliert wird darin unter anderem der Lehrkörper beschrieben. Was dabei auffällt, ist, dass von zahlreichen Versetzungen die Rede ist. Möglich, dass dies mit den seit 1933 veränderten politischen Verhältnissen zu tun hat. Außerdem wird Auskunft über den Gesundheitszustand der Schülerinnen und Schüler erteilt, der als befriedigend dargestellt wird. Von zahlreichen Teilnahmen an Geländesportkursen wird berichtet. Die Reifeprüfung (Abitur) bestanden alle 32 Schülerinnen und Schüler der beiden Oberprimen (Klasse 13).
Zahlreiche Schulfeiern am Tag der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten
Bei den aufgeführten Feiern und Veranstaltungen fällt auf, dass zahlreiche Schulfeiern zur sogenannten "nationalen Erhebung" abgehalten wurden. Die Nationalsozialisten bezeichneten damit den Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933. Ein Ereignis, das auch als Machtergreifung der Nationalsozialisten bekannt ist.
Am 26. Mai wurde der 10-jährigen Wiederkehr des Todes von Leo Albert Schlageter gedacht, eines NSDAP-Aktivisten, der während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung 1923 wegen Spionage und mehreren Sprengstoffanschlägen von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet worden war.
Gedacht wurde auch der Befreiungsschlacht gegen die Türken vor Wien im Jahr 1683. Die Rundfunkrede von Reichskanzler Adolf Hitler vom November 1933 musste von allen Schülerinnen und Schülern angehört werden. Hitler wurde noch nicht als "Führer" bezeichnet, da damals Paul von Hindenburg noch Reichspräsident war. Nach dessen Tod im August 1934 vereinigte Hitler das Amt des Präsidenten mit dem des Kanzlers und ließ sich "Führer" nennen.
Insgesamt waren 26 Hauptlehrer und 4 Nebenlehrer am Gymnasium tätig, die zum Schuljahresbeginn 1933, 256 Schüler und Schülerinnen unterrichteten. Fünf Schüler wurden nicht versetzt, einer wiederholte die Klasse freiwillig. 35 Schüler gingen zurück in die Volksschule. 125 Schüler waren im erzbischöflichen Konvikt untergebracht, der Rest wohnte in Tauberbischofsheim oder den umliegenden Orten. Ein ausführliches Namensverzeichnis aller Schülerinnen und Schüler schließt sich an.
Aufgeführt wird weiterhin, dass 239 Schülerinnen und Schüler katholisch waren, 16 evangelisch und einer "Israelit". 241 Jungen standen nur 15 Mädchen gegenüber. In den ersten drei Klassen (Sexta, Quinta, Quarta) waren die Schülerinnen und Schüler alle in einer Klasse zusammengefasst. Ab der Untertertia waren die Klassen kleiner und es gab jeweils 2 Klassen (a und b). Abitur 1934 machten in der Oberprima a und Oberprima b jeweils 16 Schülerinnen und Schüler.
Programm des Schlussakts 1934 vermittelte deutlich den Geist des Nationalsozialismus
Auf der Rückseite des 23 Seiten starken Jahresberichtes ist das Programm für den Schlussakt 1934 am Samstag, den 24. März, 10 Uhr vormittags in der städtischen Turnhalle mit kompletter Vortragsfolge abgedruckt. Neben ein paar musikalischen Stücken vermitteln die sonstigen Reden und Vorführungen – wie etwa "Sprechchöre aus Adolf Hitler: Mein Kampf" – schon deutlich den Geist des Nationalsozialismus, der darauf abzielte, Einfluss auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu nehmen.
Auffällig im Zentrum der Feier steht das Thema Saargebiet. Ein Fingerzeig auf den Volksentscheid am 13. Januar 1935, infolgedessen der Bereich wieder Teil Deutschlands wurde.