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MANNHEIM
Sprachgewirr in der Koranschule
Nicht so einfach: Schüler lesen in der Koranschule der Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim in einem Sprachbuch. Auf dem Lehrplan stehen islamische, türkische und deutsche Kultur sowie das Lesen und auswendige Aufsagen von Koranversen. Diese dürfen nur auf Arabisch rezitiert werden. Die meisten der Kinder haben türkische Eltern und deshalb Probleme mit der komplizierten Aussprache.
Foto: DPA | Nicht so einfach: Schüler lesen in der Koranschule der Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim in einem Sprachbuch.
lsw
 |  aktualisiert: 03.05.2012 15:54 Uhr

Die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in deutschen Schulen wird heftig diskutiert. In einer Mannheimer Koranschule fällt vor allem das Sprachengewirr auf.

„Allahu akhbar“, der zwölfjährige Mikael sagt die islamische Gebetsformel schon fast in derselben Melodie wie sein Religionslehrer. Die Klasse spricht ihm nach, allerdings nicht so laut, wie es der rothaarige Gymnasiast gerne hätte. „Alter, ihr seid ja voll leise“, ermahnt er die rund 30 Jungen. Der Religionslehrer Imam Mustafa Aydinli lacht.

Wenige Minuten später kann Mikael nicht genau sagen, was die Worte „Allahu akhbar“ bedeuten. „Im Namen Gottes“ sagt er zuerst. Aydinli verneint. „Das heißt Bismillah.“ So versuchen sich die Jungs bis einer die richtige Antwort weiß: „Gott ist groß“. Auch um das zu lernen, besuchen die Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 17 Jahren jedes Wochenende sowie in den Schulferien die Koranschule in einem Nebengebäude der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee in Mannheim. Auf dem Lehrplan stehen islamische, türkische und deutsche Kultur sowie das Lesen und auswendige Aufsagen von Koranversen.

Diese dürfen nur in arabischer Sprache rezitiert werden. Die meisten Kinder haben türkische Eltern und deshalb Probleme mit der komplizierten Aussprache. Der Unterricht findet aber nicht nur deshalb in einem Sprachengewirr aus Arabisch, Türkisch und Deutsch statt. Einige Kinder sind afghanischer, pakistanischer oder somalischer Abstammung und sprechen sowieso kein Türkisch, aber auch viele türkischstämmige Kinder sprechen die Sprache ihres Heimatlandes wesentlich besser als die ihrer Eltern und Großeltern, die einst als Gastarbeiter nach Deutschland kamen.

Für den sechssprachigen Aydinli ist dies allerdings kein Problem. Sein Studium der islamischen Religionslehre hat er noch in der Türkei absolviert, ehe er für ein Studium der Sozialpädagogik 1980 nach Deutschland kam.

Der 55-Jährige lacht viel während des Unterrichts, ermahnt nur selten, den Kleinsten sagt er die Verse vor, bevor diese sie nachsprechen müssen und er lässt applaudieren, wenn ein Schüler einen Vers besonders gut vorgetragen hat. Erst am Ende der ersten Doppelstunde gibt er einem Schüler eine Extra-Hausaufgabe, weil dieser die verlangten Verse nicht auswendig aufsagen kann. Häufig mache er mit den Kindern auch Ausflüge, sie kämen deshalb gerne hierher, sagt Aydinli in der Pause. Die Schulleistungen der Kinder seien häufig parallel zu denen in der normalen Schule. Er besuche die Familien regelmäßig, um zu sehen, wie diese ihre Kinder bei den Schulaufgaben unterstützen.

In einem anderen Klassenzimmer sitzen 50 Mädchen und lesen im Koran. Die Trennung zwischen Jungen und Mädchen habe ganz praktische Gründe, erklärt Aushilfslehrerin Ülkü Cetinkaya in akzentfreiem Deutsch. Über gewisse Themen wie beispielsweise weibliche Hygiene könne eine Frau besser Auskunft geben. Die Hemmschwelle darüber zu sprechen, sei für die Mädchen ohne Jungs geringer.

Wie alle Mädchen trägt die 21-Jährige ein Kopftuch, allerdings ist sie eine der wenigen, die das auch außerhalb des Klassenzimmers tun. Mit zehn Jahren habe sie sich freiwillig dazu entschlossen. Manchmal habe sie deswegen schon mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt, aber in ihrem Freundeskreis und an ihrer Ausbildungsstelle zur medizinisch-technischen Assistentin respektiere man ihre Entscheidung. In ihrer Freizeit engagiert sich Cetinkaya in der Moschee. Häufig hilft sie der Lehrerin, die nur wenig Deutsch spricht. Sie übersetze vor allem für die nicht-türkischen Kinder, aber auch ihre 15-jährige Schwester Ayse spreche nicht mehr so gut Türkisch wie sie selbst.

Um halb eins verlässt Cetinkaya den Unterricht der Mädchen, um Imam Aydinli zu vertreten. Zum Abschluss der zweiten Doppelstunde lässt sie noch einmal jeden Jungen die Gebetsformel aufsagen. Die Klasse wird unruhiger, die Kinder wollen raus an die Sonne, sie rutschen unruhig auf den Stühlen hin und her und führen Privatgespräche – auf Deutsch.

Cetinkaya kassiert Spielzeuge ein, legt die Hand auf die Schulter einiger Störenfriede und als das alles nicht hilft, hält sie eine mahnende Ansprache auf Türkisch, was die Klasse für die letzten zehn Minuten beruhigt. An der Tafel steht schon das Programm für das nächste Wochenende: Die Jungen haben Kulturunterricht zum Thema „Bei uns ist jeden Tag Muttertag.“

 
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