
"Wir haben hier teils hochqualifizierte Personen vor uns sitzen, ob Restaurantmanagerin, Psychologin, Goldschmied oder Buchhalterin – und trotzdem sagen diese Menschen, ja, ich nehme einen Job im Housekeeping oder in der Küche an und starte auf diese Art und Weise in Deutschland in den Arbeitsmarkt", erklärt Stefan Hamacher, Sprach- und Kommunikationscoach beim Chancenprojekt "Inverse Arbeitsvermittlung" des KIZ im Kurhaus in Bad Mergentheim. "Davor, wie diese Menschen kämpfen und Engagement zeigen, zum Beispiel versuchen, den Kurs mit herausfordernden Umständen innerhalb der Familie zu organisieren, ziehe ich meinen Hut und habe höchsten Respekt."
Auch Christian Konrad, Jobcoach des KIZ aus Wertheim, sind die zehn Teilnehmenden aus beispielsweise Afghanistan, Nigeria, dem Irak oder der Ukraine ans Herz gewachsen. Konrad, der selbst als Arbeitgeber Menschen aus der Ukraine beschäftigt, kennt die Bedürfnisse und Sorgen der Personen, die noch nicht lange in Deutschland leben, sagt er.
Es gibt Online- und Präsenzunterricht sowie Praktika und Exkursionen
Die Idee des Chancenprojekts sei es, Menschen mit Migrationshintergrund zügig und erfolgsversprechend in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das geschieht dadurch, dass zu Beginn des dreimonatigen Kurses, der im September mit einem dreitägigen Intensiv-Workshop gestartet war und aus Online- und Präsenzunterricht sowie Praktika und Exkursionen besteht, passende Jobpartner-Unternehmen im Vorfeld gefunden wurden.
Beim Pilotprojekt in Bad Mergentheim, das noch bis 13. Dezember dauert, sind alle Arbeits- und Praktikumsstellen im Bereich Gastronomie und Hauswirtschaft in Kliniken oder Hotels angesiedelt. Eine Branche, für die die Teilnehmenden inhaltsspezifisch geschult werden. Im Vordergrund steht, die Menschen auf die Arbeitsumgebung vorzubereiten, Sprachkenntnisse, auch mit entsprechenden Fachbegriffen, zu verbessern, sowie die Menschen in ihrem beruflichen Alltag zu unterstützen.

So machen unter anderem Themen wie kulturelle Gepflogenheiten, Mobilität und Bürokratie den Teilnehmenden Schwierigkeiten. Streiks und Verspätungen im Zug- und Busverkehr stellen für die Frauen und Männer, die meistens keinen Führerschein haben, bereits eine Hürde dar, berichten sie. "Die Sprache ist der Schlüssel", betonte Hamacher mit Blick auf die soziale Integration im Land sowie in beruflicher Hinsicht. Eine Wiederholung des Gelernten und die Sprache im Alltag im Kontakt mit anderen anzuwenden sei sehr wichtig. Drei Monate Unterricht seien für eine umfassende Sprachvertiefung zu kurz. Jedoch konzentrieren sich die Projektbeteiligten auf das, was möglich ist.
Viele Teilnehmende finden anschließend den Einstieg in den Arbeitsmarkt
Bisher haben die Projektorganisatoren in rund 85 Prozent der Fälle mit ihrer Arbeitsvermittlung Erfolg. Dieser müsse nicht zwangsläufig mit dem ersten Schritt passieren: die 19-jährige Sumayo zum Beispiel möchte mit einem Praktikum weitermachen. Sollte alles nach Plan laufen, beabsichtigt sie eine Ausbildung als Krankenschwester zu beginnen. Die 36-jährige Samantha kann nach der Übernahme in einer Physiotherapie-Klinik ab März die Betreuung ihrer Tochter besser organisieren, und freut sich, einen festen Arbeitsplatz zu haben.
Und Mansoor aus Afghanistan wird in der Zimmerreinigung tätig sein. Für ihn ist es ungewohnt, Frauen im Kurs und an der Arbeitsstätte zu begegnen, weil in seinem Heimatland die Geschlechter strikt getrennt werden. Er findet es aber vorteilhaft und gut, mit Frauen zusammenzuarbeiten: "Ich habe schon sehr nette neue Kolleginnen und Kollegen kennengelernt."
Die Projektverantwortlichen loben die Anwesenden: "Ihr macht Deutschland ein Stück weit besser." Das Projekt zeige, wie Integration funktionieren kann.