Mit der in Argentinien geborenen und in Berlin lebenden María Cecilia Barbetta gab eine höchst unterhaltsame Schriftstellerin zum bestens besuchten Jahresauftakt von Literatur im Schloss im Deutschordensschloss Einblicke in die Entstehung ihres jüngsten Romans Nachtleuchten. Ein wenig aufgeregt, doch gut gelaunt beantwortete die schwarzhaarige Wahl-Berlinerin mit lebhaften Gesten alle Fragen der Literaturkritikerin Anne-Dore Krohn, Leiterin der Literaturredaktion des RBB in Berlin. Insgesamt acht Jahre hat Barbetta an dem mit Lautmalereien, Anagrammen, spanischen Zitaten und kryptischen Verweisen gesättigten Roman von 521 Seiten gefeilt.
Machtpolitik im Hintergrund
Die in dem Viertel Ballester von Buenos Aires aufgewachsene Autorin beschreibt darin die brisante Lage in Argentinien 1974 im Jahr von Juan Domingo Peróns Tod. Doch wer mehr über diese turbulente Zeit mit Peróns Witwe und Nachfolgerin im Präsidentenamt erfahren will, muss andere Quellen nutzen. Denn es sind nicht die Politiker und Mächtigen jener Jahre, die Barbetta interessieren. Sie lässt vielmehr die Atmosphäre jener Zeit lebendig werden, indem sie in den Mikrokosmos der ihr sehr vertrauten Kleinstadt eintaucht.
Deren Bewohner setzen sich nach Kräften gegen die immer nationaler gebärdenden Rechten zur Wehr. Vergeblich sucht man im Roman einen Erzählfaden; entsprechend macht es Mühe, im Lesefluss zu bleiben. Dafür entschädigt der Sprachstil des Romans mit grenzenloser Poesie, einem verblüffenden Wortwitz und einer überbordenden Sprachverliebtheit. Wer sich über den bunt-schillernden Ton ihres in deutscher Sprache geschriebenen Werks wundert: Schon in Argentinien hatte Barbetta die Deutsche Schule besucht und ein Sprachstudium begonnen. In einem Laden habe ihre Familie deutsche Lebensmittel eingekauft; statt „Leberwurst“ habe sie „Levabusch“ bestellt.
Wörtersammlerin par excellence
Farbenreich werden die Erlebnisse von Teresa und ihren Klassengefährten in der katholischen Mädchenschule, von dem Friseur Celio im Salon Ewige Schönheit oder den Mechanikern der Autowerkstatt Autopia wie Saberio geschildert. Eine nicht unerhebliche Bedeutung hat der Aberglaube für die Romanfiguren, wenn etwa der Frisör mit seiner jüngst verstorbenen Mutter in Kontakt treten will. Schon das Manuskript von Nachtleuchten wurde vor der Veröffentlichung ihres zweiten Romans mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet. 2018 gelang die Aufnahme in die Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Ob die einfachen Leute in Ballester diesen in „spanischem Deutsch“ verfassten Roman jemals werden lesen können? Die Autorin verriet an diesem Abend, dass der Verlag inzwischen die Übersetzungsrechte vergeben hat, doch ihre Skepsis war unüberhörbar. Vermutlich zu Recht, wenn selbst eine emsige Wörtersammlerin wie Barbetta mit deutscher und argentinischer Staatsangehörigkeit sich nicht imstande sieht, für ihr tobendes Wortgewitter die adäquaten Töne und Bilder in spanischer Sprache aufzuspüren.