Die Europäische Union befindet sich im Krisenmodus. Flüchtlingselend, Brexit, Terrorismus: Die Liste der Probleme ist lang. Gar nicht so pessimistisch ist Professor Dr. Wolfgang Reinhart. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion besuchte das Matthias-Grünewald-Gymnasium im Rahmen des bundesweiten EU-Projekttages. In der Diskussion mit Neuntklässlern und Schülern der Oberstufe äußerte er sich zur aktuellen Situation und Zukunft Europas.
Populistische Töne werden lauter und erschweren die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. „Davon dürfen wir uns nicht beirren lassen“, erklärte Oberstudiendirektor Josef Münster. Den EU-Projekttag betrachtete der Schulleiter als Chance, Fakten über die Europäische Union kennenzulernen, um fundiert Stellung beziehen zu können.
„Die Europäische Union ist notwendiger denn je“, erklärte Wolfgang Reinhart. In seiner langen Laufbahn als Politiker war er schon in unterschiedlichen Funktionen mit dem Thema befasst. Beispielsweise als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Baden-Württemberg.
„Europa ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte“, betonte Reinhart. Gerade in fordernden Zeiten wie diesen hielt er es für dringend geboten, sich die Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses vor Augen zu führen. Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren habe eine Entwicklung eingesetzt, die Europa Freiheit, Frieden, Sicherheit und Wohlstand gebracht habe. „Darum werden wir von anderen beneidet“, versicherte Reinhart.
Europa ist nach seiner Auffassung auch mehr als eine Handels- oder Wirtschaftsgemeinschaft. Die Europäische Union habe aus gemeinsamen Wurzeln Werte und Traditionen entwickelt. Reinhart nannte die griechische Demokratie, das römische Recht, den jüdisch-christlichen Monotheismus und die Ideen der Aufklärung. Wer sich der Europäischen Union anschließen wolle, müsse nicht nur wirtschaftliche Kriterien erfüllen, sondern sich auch an solchen Werten orientieren.
Skeptisch äußerte Reinhart sich aus diesem Grund auch zum Beitrittsgesuch der Türkei. Ein Land, in dem die Presse- und Meinungsfreiheit dermaßen stark eingeschränkt sei und das demnächst vielleicht sogar die Todesstrafe einführe, könne nicht Mitglied der Europäischen Union werden. So wichtig die Türkei unter geostrategischen Gesichtspunkten auch als Nato-Partner sei.
Damit das europäische Projekt weiterhin erfolgreich ist, sprach Reinhart sich dafür aus, dass die EU sich auf das Wesentliche konzentriert. „Grenzüberschreitende Fragen wie Klimaschutz und Terrorismus können nicht national geregelt werden.“ Hier sei die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene dringend geboten. Ansonsten gelte das Subsidiaritätsprinzip. Was möglich ist, solle man vor Ort regeln.
Ein geschärftes politisches Bewusstsein hat Studiendirektor Tobias Endres bei den Schülern festgestellt. Der Abteilungsleiter und Gemeinschaftskundelehrer war für die Organisation des EU-Projekttags am MGG verantwortlich. Seine Erfahrung: „Europa ist derzeit eines der spannendsten Themen im Unterricht.“ Die Schüler haben, so Endres, erkannt, dass es um ihre Zukunft geht.
Das zeigte auch die anschließende Diskussion. Die Schüler nutzten ausgiebig die Möglichkeit, dem Europa-Experten Fragen zu stellen. Wie er den neuen französischen Präsidenten einschätze, wurde er beispielsweise gefragt. „Macron bekennt sich zu Europa“, war Reinhart überzeugt. Auch wenn er nicht jeden seiner Vorschläge gutheißen mochte, verspricht er sich von ihm neue Impulse für das gemeinsame Projekt.
Mit einem leidenschaftlichen Appell beendete Reinhart seinen Besuch. Die junge Generation habe heute alle Chancen und Möglichkeiten. „Nutzt sie“, ermunterte er die Schüler. Sie sollen sich unbedingt in die Gesellschaft einbringen.