Die Flüchtlingssituation in Baden-Württemberg verschärft sich. Rund 300 neue Flüchtlinge kämen derzeit täglich in den Südwesten, sagte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). „Die Situation hat sich in den letzten Wochen zugespitzt.“ Die Kapazität in den Erstaufnahmeeinrichtungen – inklusive aller Notunterkünfte – betrage derzeit knapp 9000 Plätze, die aktuell alle belegt und vorübergehend sogar nochmals auf mehr als 10 000 „verdichtet“ worden seien. Es hätten aber trotz der angespannten Lage alle ein Dach über dem Kopf.
CDU-Landeschef Thomas Strobl forderte die grün-rote Koalition zum Handeln auf. „Eine Regierung ist schließlich nicht zum Schwätzen gewählt, sondern zum Lösen von Problemen.“ Strobl sprach sich erneut dafür aus, weitere Balkanländer zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um von dort stammende abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können.
„Die Union ist dafür sofort bereit – aber das scheitert an den Grünen“, sagte Strobl, der auch CDU-Bundesvize und Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion ist, mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und die Grünen im Südwesten.
450 000 Asylanträge im Jahr 2015
Im laufenden Jahr werden insgesamt rund 450 000 Asylanträge in Deutschland erwartet – mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.
Die Länder verteilten die Asylbewerber wegen ihrer eigenen Überlastung vorschnell auf die Städte und Gemeinden, kritisierte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse. „Wir kommen in den Städten kaum mehr nach, vernünftige Unterkünfte einzurichten.“ Öney entgegnete: „Es hat keinen Sinn, in dieser Frage mit dem Finger auf die Länder zu zeigen.“ Flüchtlinge, die nicht kurzfristig zurückgeführt werden könnten, müssten in den Kreisen, Städten und Gemeinden untergebracht werden.
CDU-Integrationsexperte Bernhard Lasotta warf Öney vor, die Lage nicht im Griff zu haben. „Die Situation hat sich nicht erst jetzt zugespitzt, seit über zwei Jahren warnen wir vor der Entwicklung.“
Baden-Württemberg erwartet in diesem Jahr rund 54 000 neue Anträge auf Asyl, mehr als doppelt so viele wie 2014. Öney sagte, das Land tue alles dafür, dass auch Menschen ohne Bleibeperspektive menschenwürdig untergebracht und versorgt werden. Dies falle aber zunehmend schwerer, da die Ressourcen immer knapper werden. „Deshalb dürfen keine Anreize gesetzt werden, dass immer mehr Menschen aus wirtschaftlichen Gründen kommen“, forderte Öney. Im Fall eines abgelehnten Asylbegehrens müssten die Menschen „möglichst umgehend“ abgeschoben werden.
Zudem forderte Öney Aufklärungsoffensiven in den Herkunftsländern. „Die Verkürzung des Arbeitsverbots auf drei Monate ist keine Einladung für Arbeitsaufenthalte via Asylantrag. Das wird offenbar teilweise so gesehen, aber jedem muss klar sein, dass das Asylverfahren keinen Daueraufenthalt aus wirtschaftlichen Gründen rechtfertigt.“