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Rolf Miller über die Kindheit in Walldürn, noch Schlimmere als A 6-Fahrer – und Denkpausen
Das Gespräch führte Conny Puls
 |  aktualisiert: 29.10.2013 16:17 Uhr

Der Kabarettist Rolf Miller gastiert am Donnerstag, 7. November, mit seinem Programm „Tatsachen“ in Wertheim. Wir haben ihn gefragt, welche Tatsachen ihn bewegen.

Frage: Ist Wertheim mit rund 40 Kilometern von Walldürn so etwas wie ein Heimspiel? Oder gibt es diese Provinz-Fehde Nordbaden/Tauberfranken?

Rolf Miller: „Der Spruch ,es genügt nicht, sich keine Gedanken zu machen, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken' hat zum Glück nichts mit der Heimat zu tun. Nach diesem Prinzip arbeite ich aber. Das gemeinte provinzielle Denken hat man auch in Berlin, wo ich ja auch auftrete. Ich glaube, es ist in Wertheim auch nicht anders als in Karlsruhe oder Mannheim. Aber der Bonus „lustiger Dialekt“ ist hier eher niedriger, man kennt ihn ja.

„Ein A6-ler in Hochform“ lautet ein Eintrag auf Ihrer Facebook-Seite. Der Link führt zur Tauber-Ausgabe der Main-Post (3/2013): Ein A 6-Fahrer hatte einen A 1-Fahrer erst rüde ausgebremst, ihm dann eine verpasst. Sind Sie zufällig A1-Fahrer, oder was ist ihre Marke?

Miller: Den besseren A 5 fahre ich, der A 4 ist auch besser als der A 6, weil er leichter ist. Die Agro-A 6-Fahrer werden mittlerweile weit überholt von den Minicooper- oder Smart-Fahrern, vor allem in Innenstädten ist es mittlerweile unfassbar, wie asozial die sind, garantiert niemand mal bei einem Spurwechsel reinlassen. Diese Fun-Fahrer haben immer das Gefühl: mir gehört die Welt, und ich fahre ja Autoscooter, nicht Auto – furchtbar! Ich mache aber, wenn jemals noch einmal, eher eine Nummer über Gelände-Autos: Ohne Geländenachweis das Kind in den Kindergarten fahren, im Schlafanzug, ein Traum.

Walldürn hat seit 2005 über 500 Einwohner verloren. Welche Antwort trifft am ehesten zu?

a) Die Stadt ist nur zum Weglaufen?

b) Wer will schon 150 000 Pilger im Jahr ertragen?

c) Der Seitenbacher mit seinem Müsi ist im Radio schon schlimm genug. Wer will dem schon beim Bäcker oder beim Friseur oder im Freibad begegnen?

MIller: Der Müsli-Mann kommt aus dem Nachbarort Buchen. Genau das Städtchen, das so ziemlich alles besser macht als Walldürn. Ich bin sehr enttäuscht von der Politik in meiner Heimatstadt, ich kann mich an keinen guten Bürgermeister erinnern. Der beste war immer noch Arno Hagenbuch aus Rosenberg, bei dem ich das Glück hatte, meine Ausbildung zu machen. Vielleicht ist der Jetzige ja am verbessern.

Was prägt mehr oder treibt einem zum Kabarett? Eine Kindheit im Wallfahrtsort, oder das Studium der Verwaltungswissenschaften?

Miller: Beides. Allerdings ist das Studium sehr qualifiziert, das kann man auch unterschätzen.

Wie gut halten Sie selbst Pausen bei Ihrem Gegenüber aus?

Miller: Franz Josef Strauß sagte mal über die Denkpausen von Willy Brandt: Welche faustischen Vorgänge mögen da in ihm vorgehen… ich checke die Pause also auch nach dem Motiv, falls ich nicht geistig abwesend bin.

Wer hat Sie zum Pausen machen inspiriert? Heinz Erhardt vielleicht, oder welche Vorbilder haben Sie?

MIller: Ich bin weder Heinz Erhardt noch Loriot-Fan, nur um das Missverständnis auszuräumen. Wenn, dann sind es Gerhard Polt, Werner Schwab usw… das heißt aber nicht, dass ich die Qualitäten von Erhardt oder Loriot nicht erkenne, das ist auch genial. Nur ist es meistens nicht mein Ding, da geht mein Puls nicht hoch. Mein Puls steigt bei Polt, Hader, Schramm – das liegt daran, dass sie weniger stilisieren, näher an der Realität bleiben. Das Komische finde ich im Alltag mehr als beim Überkonstruierten.

Sie bringen andere Menschen zum Lachen. Wie lange haben Sie gebraucht, um auf der Bühne immer nur ein verhaltenes „Hähä“ hinzukriegen? Sind die Nordbadener überhaupt imstande, von Herzen zu lachen?

Miller: Der Nordbadener hat damit genauso viele Probleme wie der Belgier oder der Bosnien-Herzegowiner, wobei allerdings Letztere bei der Fußball-WM mitmachen, da kann der Badener noch was lernen.

Rolf Miller und sein Stuhl – offenbar das wichtigste Requisit auf der Bühne? Und doch kommen Sie athletisch daher. Treiben Sie Sport? (Fußball gilt nicht mehr, Sie sind 46 Jahre alt!)

Miller: Tatsächlich sind Fußball (Knie), Tischtennis (Schulter) und Laufen (Wade) eliminiert. Ich sollte mal Teppichknüpfen riskieren, vielleicht kann man da Verletzungen vermeiden. Allerdings ist mir dabei als Kind mal der Knüpfhaken im Auge hängen geblieben. Fragen Sie jetzt nicht, wer mich gezwungen hat, Teppiche zu knüpfen. Ich hab sogar freiwillig die Tapete abgemalt, das war in den 70-ern wenigstens bunt.

Sie nehmen sich in Ihren Programmen vieler gesellschaftskritischen Themen an wie Finanzkrise, Drogen, Muslime. Wie lange hirnt man darüber, um etwas Komödiantisches daraus zu machen?

Miller: Sehr kompliziert: bei solchen Themen ist es manchmal sogar Glücksache, dass einem was einfällt, da ist vor allem das Sammeln wichtig. Ich habe ja etwa alle fünf Jahre ein neues Programm, da geht das schon. Zwischenmenschliches ist für mich ergiebiger, und es ist nicht so riskant, auch wenn man knallhart reinhaut.

Und ganz aktuell: Was fällt Ihnen spontan zu Tebartz-von Elst ein?

Miller: Dass der Papst ihn „deckt“! (lacht). Im Programm stelle ich mir vor, wie Limburg den Papst einlädt, eine Führung macht: Whirlpool, Sauna, Kinderzimmer. Wenn ich das als Gag sage, ist das ok. Wenn ich es ernst sage, rebelliert die Kirche wahrscheinlich, vor allem wenn sie dieses Interview liest. Aber eins steht fest: Als jemand, der im Wallfahrtsort groß wurde, weiß ich genau, dass innerhalb der Kirche die Witze darüber noch viel härter sind.

Rolf Miller

Der Kabarettist ist am 21. April 1967 in Walldürn geboren. In seiner Kindheit spielte Miller Fußball beim Fortuna Walldürn. 1974 war er D-Jugend-Torschützenkönig. Miller absolvierte sein Abitur an der Frankenlandschule Walldürn und studierte anschließend Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Kehl.

Erste Auftritte erfolgten in der Mensa der Hochschule in Kehl. Die Bühnenpremiere feierte Rolf Miller in der Kulturbühne Biermichel in Neumühl bei Kehl mit dem Programm „Brennzeichen D“ - kurz vorm Höhepunkt. 1994 kam mit dem Gewinn des Passauer ScharfrichterBeils sowie des Kleinkunstpreises Baden-Württemberg für das Programm „Ich Deutscher - nix verstehn“ der Durchbruch als Kabarettist.

Millers aktuelles Bühnenprogramm „Tatsachen“ feierte am 16. Oktober 2009 im Aschaffenburger Kabarett im Hofgarten Premiere. 2011 erhielt er hierfür den Deutschen Kabarettpreis des Nürnberger Burgtheaters. 2013 zeichnete der BR das Programm Tatsachen auf, die Ausstrahlung erfolgt in 2 Teilen im Januar 2014.

Mit seinem Programm „Tatsachen gastiert er am Donnerstag, 7. November, in der Aula Alte Steige in Wertheim (und nicht wie bisher angekündigt in der Main-Tauber-Halle). Bereits gekaufte Karten behalten ihre Gültigkeit. Beginn ist um 20 Uhr, Einlass ab 19 Uhr.

 
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