Fast spurlos scheinen die Jahre an dem auf der Bühne ständig unter Volldampf stehenden Parodie-Kabarettisten Mathias Richling vorbeigegangen zu sein. Jetzt stand ein Auftritt des hibbeligen 59-jährigen, in Waiblingen geborenen Multitalents mit seinem aktuellen Programm „Der Richling Code“ in der Tauberbischofsheimer Festhalle auf dem Programm.
Gut 200 Freunde des anspruchsvolleren Kabaretts fanden sich ein und nahmen lebhaft Anteil an einer rasanten Enthüllung des original-schwäbischen Richling-Codes. In Anspielung auf die verfilmte Variante der Gralslegende von Dan Brown gipfelte die Wahrheitsfindung in der Enthüllung von Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ im Goldrahmen. Nach 100 Minuten rasanter Entzauberung der Phrasendrescher in Politik, Kirche und Wirtschaft war der Code geknackt: Statt des rätselhaften Lächelns der Mona Lisa kam hinter einem Stück für Stück entfernten deutschen Armutsatlas-Puzzle ein noch Merkel-Richling-Verschnitt zum Vorschein.
Das erste Rätsel, das Richling seinen Zuhörern aufgegeben hatte, war schnell gelöst, als hinter einem Podium mit noch verdeckten Namensschildern der rote Angela-Merkel-Blazer auf einem Garderobenständer Platz fand und Richling im Laufe des Abends da Vincis berühmtes Gemälde „Das Abendmahl“ mit den zwölf Aposteln aus Pappmaschee aufklappte. Da war allen längst klar, was der Parodist statt vor den Aposteln am Tisch des Herrn aufzudecken gedachte: Im Zeichen von Umweltdesaster, Gentechnik und Banken-Moralkrise sezierte Richling mit messerscharfer bis spitzfindiger Sozialkritik zahllose Auftritte und Geschehnisse der bundesdeutschen Polit- und Medienprominenz.
Live auf der Bühne gerieten die Parodien des schwäbelnden Schäuble, der quasselig-hilflosen Sandra Maischberger im Glimmstengel-Interview mit dem staatstragend-schweigsamen Altkanzler Helmut Schmidt, der Ex-Präsidenten-Gattin Bettina, von Annette Schavan, Steinmeier Bosbach, Sarazin – mit einem an Jürgen von Manger erinnernden Tonfall –, von Pofalla, dem Ex-Ministerpräsidenten von „Badde-Wüddemberg“ Oettinger bis zum im Tonfall perfekt imitierten Winfried Kretschmann. Mit beißendem Spott teilte Richling parteiübergreifend aus, doch einige Auftritte gerieten auch zu einer gelungenen Hommage. So etwa bei Schmidt, Kretschmann und auch Schäuble, der Griechenland und das Rettungspaket der EU zerpflückte.
Die zahllosen Pointen des Abends erschließen sich gelegentlich nicht sofort, vor allem wenn sie der Kabarettist nicht tagesaktuell einbaut wie der aus dem Hut gezauberte Kanzlerkandidat der SPD Peer Steinbrück: „Durchaus wählbar. Ich habe gleich nachgezählt; ich weiß es nicht, ob ich ihn mir leisten kann.“ Rätselhafter dagegen ist die Verschwörung, der Richling in Sachen Spendenaffäre und Amtsmissbrauch von Altkanzler Helmut Kohl mit dem Satz auf der Spur zu sein scheint: „Kohl hat bis heute nicht die Namen derer genannt, die 1989 die DDR an ihn gespendet haben.“ Dabei spielte Richling auch auf den Machttrieb Kohls an, der höchstpersönlich – nach Absprachen mit den Ungarn, die Veröffentlichung hinauszuzögern – die Grenzöffnung zum Westen als Erster auf dem CDU-Parteitag 1989 in Bremen verkünden konnte. Mit diesem Triumph konnte er die parteiintern geplante Entmachtung durch Geißler und Co. abwenden. Verschwörungen ist Richling auch bei Stuttgart 21 und den von der Bahn verschwiegenen Problemen und Mehrkosten auf der Spur. Sein Fazit: Den Bahnhof oben belassen und Stuttgart unter Tage zu legen.