Der Bürgerverein Poppenhausen und der Kulturverein Wittighausen nahmen die 200. Wiederkehr der Renovierung der Pfarrkirche "St. Martin" in Poppenhausen zum Anlass, um zu einer Kirchenführung in das geschichtsträchtige Gotteshaus einzuladen. Hierzu konnte die Kunsthistorikerin Verena Friedrich als Dozentin gewonnen werden.
Die Wissenschaftlerin verstand es, die Geschichte und die künstlerische Ausstattung der Kirche den zahlreich erschienenen Gästen vorzustellen. Sie stufte die Erbauung der romanischen Kirche in die Mitte des 12. Jahrhunderts ein und erwähnte, dass die wohl schon seit der späten Merowingerzeit bestehende Poppenhäuser Pfarrei die Mutterkirche von Unter-und Oberwittighausen war.
Die Jahreszahl 1577 über der Sakristeitüre weist auf eine Renovierung im Spätmittelalter hin. In dieser Zeit dürfte auch der Turmhelm seine jetzige Form, anlehnend an die "Echtertürme" im Bistum Würzburg, erhalten haben. Zweimal, so die Referentin, haben globale Ereignisse mitgeholfen, eine notwendige Renovierung und die künstlerische Ausgestaltung der hiesigen Kirche zu ermöglichen. Der Ausbruch des Vulkans Tamboro im Jahre 1815 im heutigen Indonesien verursachte weltweit extreme Kälte und ständiges Regenwetter. Die Folge waren Missernten. Offensichtlich waren im Gau die Früchte halbwegs geraten und die Bauern konnten Ernteverluste mehr als ausgleichen.
Schwerpunkt: Jubiläumsaltar
Der Ortspfarrer Anton Steinam erbat, angesichts dieses unverhofften Segens, für die Bauern Spenden für eine Renovierung und Verschönerung der Kirche. Eine großherzige Spende über 1000 Gulden von Anton Stoy ermöglichte die Anschaffung neuer Altäre. Die beiden Seitenaltäre und die Kanzel mussten beim Umbau 1921/22 entfernt werden und fanden in Hoffenheim bei Sinsheim eine neue Heimat. Der Hochaltar ziert nun die Kirche als "Alter Hochaltar" an alter Stelle in der umgebauten Kirche.
Friedrich befasste sich in ihrem Vortrag überwiegend mit dem Jubiläumsaltar, dessen Schöpfer bislang unbekannt war. Es gelang ihr, mittels Stilvergleich, Johann GeorgZiegler aus Messelhausen als Schaffer der Altäre und der Kanzel zweifelsfrei auszumachen. Als gelernter Schreiner erlernte er bei seinem Schwager Martin Mutschele die Bildhauerei. Seine Werkstatt richtete er in der Scheune seines Hofes ein. Hier schufen er und seine Söhne Altäre und Bildstöcke, die vor allem im Ochsenfurter Gau und im Taubertal gefragt waren. In ihren Werken komponierten sie gerne überkommene Stilelemente des Rokoko mit denen des Klassizismus, so auch in der hiesigen Kirche.
Die Wissenschaftlerin erklärte den Besuchern die einzelnen Stilelemente am alten Hochaltar. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren die beiden Heiligenfiguren rechts und links des Altars, versteckt zwischen zwei Säulen. Sie stellen den heiligen Bonifatius und den heiligen Martin dar. Beide haben einen Bezug zur hiesigen Pfarrei. Bonifatius war der Gründer der Diözese Mainz, zu der Poppenhausen über ein Jahrtausend gehörte. Martin ist der Schutzpatron der hiesigen Kirche und auch der Diözese Mainz. Die Pfarrgemeinde dürfe mit Recht stolz sein auf dieses Kunstwerk, auch wenn es nicht ganz richtig sei, den "Alten Hochaltar" dem Spätrokokostil zuzuschreiben.
Schon um 1900 dachte man an einen Umbau der Dorfkirche, da sie zu klein und renovierungsbedürftig war. Erst im Jahre 1921 wurde mit dem Bau begonnen. Die Kirche wurde über Kreuz erweitert und 1922 eingeweiht. Der Platz für den Hochaltar war nun an der Nordseite. Die Inflation 1923 und folgende Notjahre verhinderten die Ausschmückung des Gotteshauses. Erst in den 30er Jahren konnte man an die Anschaffung neuer Altäre und die Ausmalung des Chores denken.
Viele einheimische Künstler am Werk
Und hier, so die Referentin, halfen globale Ereignisse zum zweiten Mal, die Verschönerung der Kirche zu ermöglichen. In den Jahren nach dem Weltkrieg und der Inflation wurden kaum Kirchen gebaut oder renoviert. Hochangesehene Künstler mussten sich um Aufträge auch in kleinen Kirchen bemühen. Mit dem aus Oberlauda stammenden Ortspfarrer Stanislaus Sack war der richtige Mann am richtigen Ort. Als Hobbybildhauer hatte er gute Beziehungen zu Künstlern. Für die Schaffung der Altäre konnte der aus Gamburg stammende Bildhauer Professor Thomas Buscher gewonnen werden, den Josefsaltar konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht fertigen. Der in Franken bekannte Holzbildhauer Heinz Schiestl schuf eine Kopie der Lilacher Pieta von Riemenschneider. Bereits 1933 bewarb sich der Münchner Kunstmaler Franz Schilling um den Auftrag zur Ausmalung des Chores, der ihm 1947 erteilt wurde.
Neben Pfarrer Stanislaus Sack, der die anbetenden Engel am Hochaltar, die vier Evangelisten im Chor und den Osterleuchter schnitzte, waren auch andere einheimische Künstler am Werk. Aus Wittighausen Fritz Zipf, der nach Skizzen von Buscher den Josefsaltar schuf. Bereits in der Bauphase waren die Steinbildhauer Josef Ank aus Wittighausen und SimonHaaf aus Grünsfeld für die gesamte Natursteinarbeiten zuständig, auch die Kanzel und das Relief des heiligen Martins über dem Kirchenportal stammen von ihnen.
Wenngleich Verena Friedrich den Teilabbruch der romanischen Kirche bedauerte, stellte sie befriedigt fest, dass der Kirchturm erhalten blieb und die ursprünglichen Ausmaße des Schiffes am Umbau deutlich zu erkennen seien. Vor allem freute sie sich, dass der neuromanische Stil am ganzen Bau konsequent durchgezogen wurde. Auch die Einrichtung, wie Altäre, Kanzel, Kreuzweg, Beichtstuhl und der Orgelprospekt hielten sich streng an den vorgegebenen Baustil.