
Es war ein durchaus passender Moment, in dem der Regen einsetzte: Tamino und Pamina machen sich in Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ gerade an ihre dritte und letzte Prüfung. Dunkle Berge müssen sie durchschreiten, Feuer und Wasser tobt in ihnen. Und prompt fallen auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele die ersten zaghaften Tropfen. Als das Liebespaar die Aufgabe in der Oper mit Bravour besteht, hat es sich schon recht ordentlich eingeregnet. Doch was dramaturgisch durchaus hinnehmbar war, sorgte am Mittwochabend bei der Premierenvorstellung im Publikum für störende Momente: Plötzlich wurde hektisch in Taschen gesucht, in Regencapes geschlüpft, wurden Mützen aufgesetzt.
Bis dahin sahen die rund 7000 Gäste des Musik- und Opernfestivals am Bodensee eine konzentrierte und gleichzeitig unterhaltsame Aufführung: Nach Umberto Giordanos „André Chénier“ im vergangenen Jahr setzen die Bregenzer Festspiele in ihrer 68. Saison wieder auf einen Opernklassiker und Publikumsmagneten. Intendant David Pountney, der auch Regie führt, und Bühnenbildner Johan Engels verlegten „Die Zauberflöte“ in eine farbintensive und überdimensionale Märchenwelt, die noch bis 18. August im österreichischen Bregenz zu sehen ist.
Vor dem Inhalt der Oper - der Prinz erhält von der Königin der Nacht den Auftrag, die von Sarastro entführte Pamina zu retten - erweist sich die Seebühne einmal mehr als Ort des permanenten Wandels: In der Mitte steht eine siebeneinhalb Meter hohe Kuppel, die je nach Szene mal in grünes, mal in rotes, mal in gelbes Licht getaucht wird. Für Mozarts Geschichte schafft sie so immer wieder neue, atmosphärisch unterschiedliche Räume.
Für das Reich der Königin ist die Bühne in tiefes Blau getaucht, die Szene im Tempel von Sarastro wirkt im intensiv roten Licht bedrohlich. Passend dazu spucken drei riesige Drachenhunde mit glühenden Augen rund um die Kuppel Feuer und Rauch. Doch als Sarastro Tamino davon überzeugen will, dass er gute Absichten verfolgt, wechselt die Farbe zu einem hellem Gelb, die Stimmung von abweisend zu hoffnungsvoll. Die „Zauberflöte“ wird zum quietschbunten Fantasie-Spiel. Als Prinz Tamino überzeugte sowohl schauspielerisch als auch gesanglich Tenor Norman Reinhardt. Die Pamina gab Gisela Stille, die den Wandel vom verängstigten Mädchen zur selbstbestimmten Frau mit warmem Sopran gut meisterte. Die Königin der Nacht verkörperte Ana Durlovski, den Sarastro Alfred Reiter. Willkommenen Humor brachte Daniel Schmutzhard als Vogelfänger Papageno auf die Bühne - auch wenn sein österreichischer Charme nicht immer so spontan und entwaffnend wirkte, wie er wohl gemeint war.
Beeindruckend auch die Kostüme von Marie-Jeanne Lecca: Die drei Damen setzte sie als überdimensionale Puppen auf ein Vogelgerippe, den drei Knaben verpasste sie riesige Glatzköpfe mit aufgerissenen blauen Augen. Und bei den Ganzkörperanzügen der Schergen von Monostatos (Martin Koch) ließ sie sich offensichtlich von der Comicfigur Spiderman inspirieren. Die musikalische Leitung der Oper lag bei Patrick Summers, der die Wiener Symphoniker und den Prager Philharmonischen Chor ruhig durch die rund zweieinviertelstündige Premiere führte.
Um den Zeitplan einzuhalten, wurde an einigen Stellen hart gekürzt, doch für die publikumsbekannten Arien gab es genug Raum, Zeit - und überraschende Effekte. So sang Ana Durlovski, die als Königin der Nacht anfangs noch etwas blass blieb, ihre Gänsehaut-Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ in schwindelerregender Höhe auf einer ausfahrbaren Plattform.
Für Intendant Pountney bedeutet die Zauberflöte gleichzeitig auch einen Abschied: Nach rund einem Jahrzehnt verlässt er das Festival im kommenden Jahr, seine Nachfolge übernimmt die Grazer Opernintendantin Elisabeth Sobotka. Bei seiner letzten Regiearbeit hat er - den zahlreichen Deutungsversuchen der „Zauberflöte“ zum Trotz - noch einmal klar Position bezogen: Die Geschichte sei ein Aufklärungsstück par excellence, sagte Pountney im Vorfeld. „Am Ende tragen ein normaler Mann und eine normale Frau die Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft, während sich der Machtapparat von Königinnen und Priestern als überflüssiges Brimborium erweist.“