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STUTTGART
Protestantentreffen mit Magnetwirkung
Einladung: Frank Otfried July, der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, mit dem Programmheft des Stuttgarter Kirchentags.
Foto: Daniel Naupold/dpa | Einladung: Frank Otfried July, der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, mit dem Programmheft des Stuttgarter Kirchentags.
dpa
 |  aktualisiert: 27.05.2015 16:38 Uhr

Kirchentag kann ansteckend sein: Immer wenn alle zwei Jahre Zehntausende evangelische Christen singend, betend und debattierend von einer deutschen Großstadt Besitz ergreifen, zieht dies auch kirchenferne Zaungäste in den Bann. Um diese Magnetwirkung wissen auch die Organisatoren des 35. Evangelischen Kirchentags vom 3. bis 7. Juni in Stuttgart.

Das Werben für den Glauben spielt bei dem großen protestantischen Laientreffen neben gesellschaftspolitischen Themen eine immer wichtigere Rolle. Im Kontrast nämlich zu manch überfüllter Kirchentagshalle steht der Kirchenalltag, der seit Jahren von Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust geprägt ist.

Und die Prognosen sind düster: Bis 2040 rechnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit einem Rückgang der Zahl der Protestanten von derzeit 23,4 Millionen auf 16 Millionen. Hauptproblem der Kirche sind nicht die Austritte, sondern neben dem demografischen Wandel vor allem die sinkende Zahl von Taufen. „Das Interesse an religiöser Erziehung wird weniger, bis hin zur Taufe“, sagte kürzlich der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Prof. Gerhard Wegner. „Da geht es ans Eingemachte von Kirche.“ In der Öffentlichkeit habe man den Eindruck, dass Religion geradezu peinlich sei.

Einen Abbruch kirchlicher Traditionen bei der jüngeren Generation wies die jüngste Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft aus. „Es wird darauf ankommen, neue und kreative Ideen zu finden, Menschen für den Glauben anzusprechen“, erklärte EKD-Präses Irmgard Schwaetzer Anfang des Monats.

Aber ist das protestantische Massenevent – 100 000 Dauergäste werden in Stuttgart erwartet – der richtige Weg? „Der Kirchentag hat eine zentrale Bedeutung für die Zukunftsfragen der Kirche, weil er es denen, die ohnehin immer kommen, erlaubt, mit denen zu sprechen, die eben lieber zu einem Kirchentag kommen als zu den klassischen gemeindlichen Angeboten“, meint der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies.

„Dieses Zusammenkommen ist auch für die attraktiv, die der Kirche im Alltag distanziert gegenüber stehen.“
Friedrich Hauschildt Vizepräsident EKD-Kirchenamt

„Da angesichts knapper Finanzen die Bedeutung der Laien in Zukunft eher wachsen als abnehmen wird, ist die Laienorganisation Kirchentag vielleicht ein Stück Vorbild für die Kirche der Zukunft.“

Feiern lockt an – auf diese Faustformel bringt es der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, Friedrich Hauschildt. „Die Form des Zusammenkommens ist eine, die auch für die attraktiv ist, die der Kirche im Alltag distanziert gegenüber stehen.“ So mancher lasse sich da von der Stimmung auf dem Kirchentag mitziehen – und für die ohnehin Kirchenaktiven bedeute das Treffen eine Adrenalinzufuhr.

Zu all dem kommt, dass das bunte Kirchentagstreiben, das schon in einigen Tagen Stuttgart verwandeln wird, ein freundliches und positives Bild abgibt von einer Kirche, die sich zunehmend auch Anfeindungen ausgesetzt sieht. Von einem Generalverdacht der Religion gegenüber in einer konfessions- und religionslosen Gesellschaft sprach kürzlich Hannovers Bischof Ralf Meister.

Da tut es gut, wenn der Kirche wie nun wieder in Stuttgart das Wohlwollen zahlloser Helfer entgegenschlägt, die etwa mit Privatquartieren zum Gelingen des Kirchentages beitragen. Auch die Politik stärkt der Kirche bei dem Laientreffen den Rücken – obwohl der Kirchentag seit jeher kritische Anfragen zu brennenden Gesellschaftsthemen stellt.

„Ich erinnere mich gut an die Kirchentage meiner Studienzeit – an kaum einem anderen Ort in der Gesellschaft waren Soldaten und Friedensbewegte so aufmerksam für die Argumente der anderen und haben so zivilisiert gestritten“, meint Kirchenhistoriker Markschies. „Vielen Politikern ist anzumerken, wie aufmerksam sie auf die Einwände und Kritiken hören, umgekehrt aber auch versuchen, Rechenschaft über ihr Handeln zu geben.“

Dies wird auch in Stuttgart nötig werden, wo mit dem Thema „Frieden und Flüchtlinge“ Konfliktstoff auf der Tagesordnung steht. Zugleich aber mischt die Kirche sich hier in ein Feld ein, bei dem sie nicht nur fromme Forderungen stellt, sondern auch tatkräftig Hilfe leistet. Gerade dieses soziales Engagement – dies hat eine EKD-Studie jüngt ergeben – kann ansteckend wirken auf Menschen abseits der Kirche.

 
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