
Pfarrer Horst-Frithjof Tschampel ist beim Jahrestreffen aus dem Koordinationsteam der Notfallseelsorge im Main-Tauber-Kreis verabschiedet worden. Die bisherige Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Kitzberg-Klinik Bad Mergentheim, Dr. Reta Pelz, referierte über ihre Arbeit als Fachärztin und widmete sich insbesondere dem Aspekt Posttraumatischer Belastungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Sitzung wurde von Erstem Landesbeamten Ulrich Derpa als Co-Vorsitzendem des Koordinationsteams geleitet. Sie fand in der Außenstelle des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis in Bad Mergentheim statt.
Die Notfallseelsorge ist das ökumenische Angebot der Kirchen, Menschen seelsorgerisch beizustehen, die sich in einer akuten Krise befinden, zum Beispiel nach einem Unfall oder nach dem Tod von Angehörigen. Dazu werden die Notfallseelsorger bei Bedarf zu jeder Tages- und Nachtzeit von der integrierten Leitstelle der Rettungsdienste alarmiert, um innerhalb kürzester Zeit an Ort und Stelle helfen zu können.
Derpa bedankte sich für die wichtige Rolle, die Pfarrer Tschampel in der Notfallseelsorge übernommen hatte. Seit Beginn der Arbeit im Jahr 2001 war Tschampel als „Mann der ersten Stunde“ aktiv. 2008 übernahm er die Leitungsfunktion im evangelischen Kirchenbezirk Weikersheim, im Jahr 2010 qualifizierte er sich zum leitenden Notfallseelsorger. Er nahm an allen Stabsrahmenübungen teil. Tschampel engagierte sich sehr bei der Erarbeitung der Vereinbarung zur Notfallseelsorge im Main-Tauber-Kreis im Jahr 2015 und wurde zum Vorsitzenden des Leitungsteams gewählt. Tschampel habe die Rolle des Vorsitzenden gelebt, erklärte Derpa. Er nannte beispielsweise die Organisation der Teddyaktion im Main-Tauber-Kreis. Damals wurden Polizei, Feuerwehr und Rotes Kreuz mit Teddys ausgestattet, die Kindern bei Unfällen und anderen Notsituationen zum Trost geschenkt werden konnten. Zudem hielt Tschampel Vorträge bei Gemeinden und Hilfsorganisationen, um die Notfallseelsorge vorzustellen. Der Geehrte bedankte sich und bekannte, dass ihm der Abschied nicht leicht falle. Er habe immer Spaß an der Arbeit gehabt und wünsche sich für die Zukunft noch mehr aktive Mitglieder in der Notfallseelsorge.
Dr. Reta Pelz stellte in ihrem Vortrag die Arbeit der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Kitzbergklinik vor. Die Behandlungsschwerpunkte liegen bei depressiven Störungen, Traumafolgestörungen, insbesondere Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Essstörungen und Bindungsstörungen. Die Besonderheit der Kitzbergklinik ist außerdem das Angebot der Eltern-und-Kind-Psychotherapie. Das heißt, Kinder und Jugendliche können auch zusammen mit ihren Eltern als Patienten stationär aufgenommen werden. Grundsätzlich werden Kinder unter elf Jahren nur mit ihren Eltern oder einem Sorgeberechtigten eingewiesen, Kinder über elf Jahren können auch ohne Begleitperson aufgenommen werden. Die Klinik arbeitet multimodal, evidenzbasiert und mit einem Psychotherapieschulen übergreifendem integrativem Modell., Viele verschiedene Therapieformen und Angebote wie zum Beispiel Bewegungs-, Logo-, Ergo- und Kreativtherapien kommen zum Einsatz. Die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten beträgt rund 46 Tage.
Speziell ging Pelz auf die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ein. Einer PTBS gehen definitionsgemäß ein oder mehrere belastende Ereignisse von außergewöhnlichem Umfang oder katastrophalem Ausmaß (psychisches Trauma) voran. Ausführlich erklärte Reta Pelz, wie es zu einer Traumafolgestörung kommen kann. Eine posttraumatische Belastungsstörung wird nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten diagnostiziert, wenn verschiedene Kriterien gegeben sind. Dazu gehören ein auslösendes traumatisches Erlebnis, zugehörige Flashbacks (plötzliches Wiedererleben der vergangenen Situation), die Vermeidung und Übererregung, Schreckhaftigkeit. Kinder zeigen die Symptome einer PTBS oft in ihrem Spiel.
In der Kitzbergklinik werden häufiger Patienten mit einer so genannten komplexen PTBS behandelt. Pelz erläuterte dieses Störungsbild, das sich insgesamt deutlich schwieriger behandeln lässt als eine „einfache“ PTBS. Die Ursache für die komplexe PTBS sind in der Regel schwere oder wiederholte oder langanhaltende Traumatisierungen in der Kindheit. Zu diesen gehören zum Beispiel körperliche und psychische Misshandlung, sexueller Missbrauch sowie körperliche und emotionale Vernachlässigung.
Wie Pelz erklärte, besteht die Therapie einer PTBS aus drei Phasen, und zwar der Stabilisierung, der Konfrontation und der Integration. Bei der Exposition konfrontiert sich der Patient unter Anleitung und in einem sicheren Rahmen mit den vergangenen traumatischen Erlebnissen. Dies kann auch mithilfe eines Gesprächs, einer Geschichte, eines Liedes oder einer nachgespielten Szene erfolgen.
An den Vortrag schloss sich eine Fragerunde an, die sehr rege genutzt wurde.
Der Leiter des Polizeireviers Neckarsulm, Bernhard Mai, erläuterte die Umstrukturierungen bei der Polizei im Rahmen der Notfallseelsorge. Der Einsatzabschnitt Betreuung, zu dem die Notfallseelsorge gehört, war bisher am Führungs- und Lagezentrum angegliedert. Da dort der Einsatzleiter regelmäßig wechselt, die Notfallseelsorge aber davon lebt, sich gegenseitig zu kennen, wurde dieser Einsatzabschnitt nun an die Revierebene angebunden. Bernhard Mai ist jetzt gemeinsam mit dem Leiter des Polizeireviers Buchen, Martin Fessner, für diese Aufgabe verantwortlich. Er strebt eine langfristige Zusammenarbeit an und möchte nun die Netzwerke und Abläufe in diesem Bereich kennen lernen.