Er ist OB einer gespaltenen Stadt. Für die Gegner von Stuttgart 21 ist der CDU-Mann Wolfgang Schuster der Buhmann. Trotz des Erfolgs bei der Volksabstimmung will der Rathauschef nach 2012 nicht mehr als Bahnhofs- und Brückenbauer amtieren. Was macht jetzt die CDU?
Der wegen Stuttgart 21 umstrittene Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) hat seinen Rückzug angekündigt. Für eine dritte Amtszeit in der Landeshauptstadt stehe er nicht zur Verfügung, sagte der 62-Jährige am Montag beim Neujahrsempfang im Stuttgarter Rathaus. Es sei richtig, „am 7. Januar 2013 die Verantwortung in andere Hände zu legen“.
Nach dem Erfolg der Befürworter des Tiefbahnhofs bei der Volksabstimmung war erwartet worden, dass Schuster es noch einmal wissen will. Wer nun für die CDU bei der Oberbürgermeisterwahl im Herbst kandidiert, ist unklar. Der OB-Posten gilt traditionell als zweitwichtigstes politisches Amt in Baden-Württemberg. Auch die anderen Parteien – vor allem die starken Grünen – haben sich noch nicht auf Bewerber festgelegt.
Ziehsohn Rommels
„Ich hätte anders entschieden, wenn Stuttgart in einer stürmischen Krise wäre“, sagte Schuster. Sein Nachfolger könne auf einer soliden und zukunftsfähigen Grundlage aufbauen. „Stuttgart steht in allen Rankings auf dem Siegertreppchen.“ In seinem letzten Amtsjahr wolle er sich bemühen, „Brücken zu schlagen zu denen, die das Bahnprojekt Stuttgart 21 ablehnen. Ich respektiere, dass jeder seine Meinung dazu hat.“ Er hoffe aber auch, dass die S21-Gegner anerkennen, dass die Mehrheit der Stuttgarter für das Projekt seien.
Schuster ist seit 15 Jahren Rathauschef in der Landeshauptstadt. Der gebürtige Ulmer ist der politische Ziehsohn seines Vorgängers Manfred Rommel und auch in der CDU Stuttgart umstritten – vor allem seit dem historischen Sieg der Grünen bei der Kommunalwahl 2009 und der Landtagswahl im März 2011, bei der die Kandidaten der Ökopartei in der Landeshauptstadt drei von vier Direktmandaten holten.
Seit dem Spätherbst 2007 ist Schuster für die Gegner von Stuttgart 21 der Buhmann. Damals lehnte der Jurist ein Bürgerbegehren gegen das Milliardenprojekt aus formalen Gründen ab. Die Demonstrationen gegen den geplanten Tiefbahnhof erreichten Mitte 2010 ihren Höhepunkt, als es im Schlossgarten zu Ausschreitungen kam. Doch der landesweite Volksentscheid am 27. November 2011 brachte Schuster Rückenwind: Denn eine Mehrheit der Bürger nicht nur im Land, sondern auch in der Landeshauptstadt sprach sich für den Weiterbau des Projekts aus.
Glänzende Bilanz
Der Stadtrat für Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) und Sprecher der Stuttgart-21-Gegner Hannes Rockenbauch sagte zu Schusters Entscheidung: „Auf der einen Seite ist es gut, dass es nun einen Wechsel gibt. Auf der anderen Seite ist es schade: Wir hätten ihn gern abgewählt.“ Rockenbauch geht davon aus, dass die OB-Wahl im Herbst angesichts der Bauarbeiten für den Tiefbahnhof eine „Oben-bleiben-Wahl“ wird.
Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) lobte Schusters „glänzende Bilanz“ und zollte ihm Respekt für seine Entscheidung: „Jeder Langstreckenlauf hat ein Ziel.“ Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) sagte, man habe gemerkt, wie schwer Schuster die Entscheidung gefallen sei.
Die Suche nach einem Bewerber für die Nachfolge solle bis Mitte März zum Kreisparteitag abgeschlossen sein. „Bis dahin sieht sich keiner als Kandidat“, sagte Eisenmann, die auch schon mal als Aspirantin gehandelt wurde.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), der 2004 schon einmal gegen Schuster angetreten war und nun wieder als Kandidat gehandelt wird, wollte sich nicht direkt zu Schusters Rückzug äußern.