
Der Islam ist nicht nur böse oder mit Terror gleichzusetzen: Deshalb gilt es immer wieder, Klischees und Unwissen abzubauen und Neugierde zu erzeugen. Diese gut gemeinten pädagogischen Ziele unterstützen auch Nina Gühlstorff und Dorothea Schroeder. Bei der Uraufführung ihres Theaterprojekts „Koranschule“ am Samstag versuchten die beiden Regisseurinnen vom Nationaltheater Mannheim, neue Sichtweisen auf die muslimischen Teile Mannheims zu schaffen. Dies gelang zwar nur bedingt, trotzdem wurde ihre soziologische Theaterexpedition mit großem Beifall bedacht.
Von der Hinterhofmoschee bis zum türkischen Friseursalon: Nach der Begrüßung, die an eine TV-Verkaufssendung erinnerte, ging es am Abend im Taxi zuerst in eine für Außenstehende nicht als solche zu erkennende Moschee im Stadtteil Jungbusch. Dort wurden den knapp 200 Besuchern an verschiedenen Stationen Interview-Fragmente zur Lebenswirklichkeit von muslimischen Migranten und deren Familien über Tonband vorgespielt oder von Schauspielern nachgesprochen.
Das Kernstück der dreieinhalbstündigen Performance war der Besuch einer echten Koranschule, bei der ein Imam aus dem Leben des Propheten Mohammed erzählte. Viele Theaterbesucher merkten, dass sie sehr wenig über den Islam wissen. Doch anstelle von Erklärungen und Details über die fremde Religion, erzählten Schauspieler in einer Wohnung oder einer Werbeagentur die komplizierten Lebensgeschichten von einzelnen Interviewten zwischen Integration, Ausgrenzung und der immer präsenten Religion – durchaus gekonnt – nach.
Deutlich wurde dabei vor allem, vor welchen Herausforderungen junge Muslime stehen, um sich im deutschen Bildungswettbewerb behaupten zu können. Denn sie stehen zwischen den verschiedenen Subkulturen, empfinden den Islam mehr als Kultur, weniger als Religion und bekommen von ihren Familien nicht immer die beste Unterstützung. So wird die Koranschule – gewollt oder ungewollt – zu einer wichtigen Bildungseinrichtung, die jedoch nur begrenzt auf das Leben in der Mehrheitsgesellschaft vorbereitet.
Möglichkeiten zur Interaktion mit Muslimen gab es nicht, was zu einer gewissen Oberflächlichkeit führte und eher an den Besuch in einem Zoo über Religion erinnerte. Zwar kam die Bildungskarawane beim Streifzug durch die Stadt an Migranten vorbei, die jedoch meist ungewollt als Kulissen fungierten, da das Publikum nicht mit ihnen sprach. Bei einem gemeinsamen Gebet von Protagonisten und Zuschauern am Ende der Tour vor dem Nationaltheater, inklusive Gebetsteppich und Ausrichtung nach Mekka, sollten die Teilnehmer den muslimischen Glauben nachempfinden. Gut die Hälfte der Leute machte mit.
Der Anteil der etwa 27 000 Mannheimer Muslime an der Stadtbevölkerung beträgt nach Mitteilung des Nationaltheaters etwa neun Prozent. In der Stadt gibt es 13 Gebetsräume und Gemeinden, an die auch zahlreiche Geschäfte und Vereine angeschlossen sind.