Mit einer Theateradaption von Heinrich Manns Roman "Professor Unrat" hat die Badische Landesbühne kürzlich ihre Spielzeit in der Tauberbischofsheimer Stadthalle eröffnet. Die Geschichte des autoritär-tyrannischen Gymnasiallehrers Raat, bei dessen Kommen die Schüler "Unrat" witterten, ist kurz erzählt. Raat gerät durch seine Schüler in die Bar im "Blauen Engel" und in den Bann der Barsängerin und Animierdame Rosa Fröhlich.
Deren lockerer Lebenswandel und Ausstrahlung zog Raats Schüler Lohmann, Kieselack und von Ertzum magisch an. Doch aus dem stillen Verehrer der Sängerin, der sich einredet, seine Schüler sittenstreng erziehen und so vor dem sittlichen Verfall bewahren zu müssen, wird ein geradezu fanatischer Verteidiger Rosas Lebenswandels. Den vom ihm verbissen mit den Schülern geführten Konkurrenzkampf entscheidet er resolut mit der Heirat Rosas für sich.
Damit macht er sich noch leichter angreifbar und muss, von der bürgerlichen Gesellschaft geächtet, den Schuldienst quittieren. Mit seiner Entscheidung für die Sängerin, die in diese Beziehung ein Kind mitbringt, ist Raat für die Gesellschaft nicht mehr tragbar. Dass aber ausgerechnet sein Lieblingsfeind Lehmann später die Gunst von Rosa gewinnt, lässt ihn endgültig am Leben verzweifeln.
Der satirische Unterton fehlte
Dem Regisseur Arne Retzlaff gelang es nicht überzeugend, die tragikomische Atmosphäre und den satirischen Unterton zu vermitteln, die man mit den Hauptfiguren in dem Roman von Heinrich Mann und mit dem 1930 uraufgeführten Film "Der blaue Engel" mit Marlene Dietrich assoziiert.
In der Theaterfassung von John von Düffel konnten sich die Schauspieler, allen voran René Laier als verbiesterter Professor Unrat, noch so sehr ins Zeug legen; alles blieb angestrengt-lustlos und nebulös im Unverbindlichen stecken. Nachzuvollziehen war nur ansatzweise, warum dieser auf Disziplin und tugendhaftes Verhalten gedrillte Lehrer aus vermeintlicher Liebe zum radikalen Anarchisten wird.
Regieanweisungen über Mikrofone
Die frühreifen und gehässigen Schüler Lehmann (Tobias Strobel) von Ertzum (Martin Behlert) und Kieselack (Fabian Jung) einte nur die gemeinsame Verachtung ihres Lehrers, der über ihre Schulzeit hinaus ihre Karrieren zu behindern suchte. Die farbigen Gewächse der Videoprojektionen im Hintergrund wirkten wie ratlose Irrlichter. Hilfestellung in Form von nützlichen Requisiten gab es nicht. Was sich weiter abspielte, war da und dort vom Chor der Schüler zu erfahren, ohne dass der Zuschauer die Chance bekam, sich auf eine das Geschehen vertiefende Handlung einlassen zu können.
Emotional angesprochen wurden die Zuhörer auch nicht dadurch, dass man sich unentwegt in dem halbseidenen Etablissement "Der blaue Engel" zuprostete und die nicht vorhandenen Gläser rückwärts über die Schulter entsorgte. Die über Mikrofone eingestreuten Regieanweisungen verstärkten den Eindruck, einem Hörspiel beizuwohnen.
Unterhaltung als rettender Anker
Dass die Aufführung nicht gänzlich enttäuschte, war dem Unterhaltungspart des Stückes zu verdanken, den Oliver Taupp als kleines "Begleitorchester" mit der Sängerin Elena Weber als Rosa Fröhlich bestritt. Mehrere Lieder aus der Romanverfilmung wurden sehr ansprechend gesungen und musikalisch begleitet.
Zum Auftakt der neuen Spielzeit der Badischen Landesbühne in Tauberbischofsheim gab es dennoch freundlichen Beifall für engagierte Mitwirkende, die eine andere Inszenierung verdient gehabt hätten, um die Zuhörer emotional-packend in die ungewöhnliche Verwandlung eines Tyrannen eintauchen zu lassen.