Er soll zwölf Jungen jahrelang missbraucht haben – gegen einen geringen Lohn, und teils mit Einverständnis. Für 123 Fälle muss sich ein 61-Jähriger nun verantworten. Er soll in der Karlsruher Homosexuellen-Szene kein Unbekannter sein.
Es geschah in seinen Wohnungen, auf Parkplätzen oder auf der Motorhaube – ein 61-jähriger aus Bad Schönborn bei Karlsruhe soll über Jahre zwölf Jungen missbraucht haben. Gegen etwas Geld – und angeblich nicht immer gegen deren Willen. Manche Jugendliche trafen sich mehrfach mit dem Mann und brachten Freunde mit. Zum Prozessauftakt vor dem Karlsruher Landgericht listete der Staatsanwalt am Mittwoch 123 Fälle auf, in denen der Angeklagte sexuelle Handlungen an Jungen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren vorgenommen hatte. Die Jugendlichen bekamen dafür jeweils fünf bis 25 Euro.
Größtenteils sollen sie gewusst haben, was auf sie zukam. In anderen Fällen aber auch nicht. So war ein 14-Jähriger der Staatsanwaltschaft zufolge „völlig perplex“, als der Mann, der ihn zu sich mit nach Hause genommen hatte, den Pornofilm in den DVD-Player schob. Als ein anderer Junge sich gegen den Missbrauch wehren wollte, habe der Angeklagte gesagt, „er brauche dies“. Als ein Opfer den Angeklagten schlug, habe er von weiteren Versuchen abgelassen.
Dem 61-Jährigen wird zudem eine Vergewaltigung und eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen – in den Fällen, in denen sich die Jungen wehrten. Der Mann muss nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen.
Laut Anklage fand der Missbrauch immer nach dem gleichen Muster statt, vor allem in seinen Wohnungen in Bad Schönborn und in Karlsruhe: Der Angeklagte habe den Jungen Geld geboten, sie teils zum Essen eingeladen, ihnen Pornofilme gezeigt und danach Oralverkehr mit ihnen gehabt. Die Jungen waren alleine, aber auch zu zweit oder zu dritt bei dem Mann.
Wie er die Jugendlichen im einzelnen kennengelernt hatte, blieb am Mittwoch unklar. Die Öffentlichkeit wurde nach der Verlesung der Anklage ausgeschlossen. Prozessbesucher berichteten, der Mann habe als Taxifahrer gearbeitet. Einige der Besucher kennen den Angeklagten nach eigener Aussage vom Karlsruher Hauptbahnhof aus der Homosexuellen-Szene.
Der Missbrauch soll von Anfang 2006 bis zum Spätsommer 2012 stattgefunden haben. Der Angeklagte – ein kleiner Mann mit gedrungener Statur, spärlichem grauen Haar und einer Silberkette über dem dunklen Pulli – vertiefte sich im Prozess in Akten. Den Ausschluss der Öffentlichkeit wollte er auch unter Hinweis auf einige männliche Gerichtsbesucher „aus der gleichen Szene“.
Der Angeklagte war bereits vor vier Jahren wegen vergleichbarer Taten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden und ist seit einem Jahr in Haft. Ihm wird neben dem Missbrauch auch vorgeworfen, dass er sich mehr als 10 000 Euro vom Karlsruher Jobcenter betrügerisch erschlichen hat.
Der Prozess wird an diesem Donnerstag fortgesetzt. Da die Vernehmungen der Jugendlichen ebenfalls voraussichtlich nicht öffentlich sein werden, dürfte erst von kommenden Mittwoch, 13. November, an der Prozess wieder öffentlich sein.