Das Kultusministerium hat die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRGB) aufgefordert, Zweifel an der Zahl ihrer Mitglieder auszuräumen. „Wir wollen Transparenz darüber, wie die Zahl der Mitglieder berechnet ist“, sagte ein Sprecher von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) am Dienstag in Stuttgart.
Auf Basis der Zahl der Mitglieder zahlt das Land pro Kopf 750 Euro pro Jahr. Das ist in einem Staatsvertrag zwischen dem Land und den beiden israelistischen Religionsgemeinschaften aus dem Jahr 2010 festgelegt. Dort war die Zahl der Mitglieder in Baden mit 5090 angegeben worden. Ein „Tippgeber“ habe bezweifelt, dass dies realistisch sei.
Über Wortwahl beunruhigt
Das Ministerium sei verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Haushaltsmittel korrekt verwendet werden, und das im Ernstfall zu überprüfen, sagte der Sprecher. Im kommenden Jahr würden 4,1 Millionen Euro an die Religionsgemeinschaft überwiesen.
Zuerst hatte die „Stuttgarter Zeitung“ über den Vorgang berichtet. Demnach nennt die IRGB, die auf dpa-Anfrage zunächst nicht Stellung bezog, das Ansinnen des Ministeriums eine „Judenzählung“. Der Sprecher Stochs zeigte sich beunruhigt ob der Wortwahl. Man müsse verantwortlich mit Begrifflichkeiten umgehen.
Das Ministerium will wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Mitgliederzahl bemessen ist. In der Satzung der IRGB sei das jüdische Religionsgesetz Halacha genannt, nach dem nur Kinder jüdischer Mutter oder wirksame Konvertiten Juden sein können. Der Zustrom von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion könnte die bisherigen Kriterien verwaschen haben. Dort galten diejenigen als Juden, die einen jüdischen Vater haben. In ihren Pässen war als Nationalität Jude angegeben, was zu Diskriminierungen führte. In Deutschland angekommen hatten sie aber Probleme als Mitglieder jüdischer Gemeinden aufgenommen zu werden.
Das Ministerium habe Interesse zu erfahren, wie viele Mitglieder die IRGB nach enger Auslegung habe, erläuterte der Sprecher. Wenn es zu Veränderungen der Mitgliederzahl komme, müssten sich Land und Gemeinschaft darüber verständigen. Es sei auch im Staatsvertrag festgelegt, dass dieser bei wesentlichen Veränderungen angepasst werden müsse.
Die Mutter ist ausschlaggebend
Barbara Traub, Sprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, sagte, in ihrer Gemeinschaft mit knapp 3000 Mitgliedern gelte nur als Jude, wer eine jüdische Mutter habe oder von einem orthodoxen oder liberalen Rabbinergericht anerkannt konvertiert sei. Zu den relevanten Belegen gehört unter anderem die Geburtsurkunde der Mutter. Das Ministerium erbittet Antworten aus Baden nach einer Fristverlängerung bis Ende dieses Jahres. Wenn dies nicht geschehe, habe dies aber keine Rechtsfolgen.
Juden im Südwesten
Nach aktuellen Angaben leben rund 5100 Juden in Baden und knapp 3000 in Württemberg. Damit hat sich ihre Zahl seit Anfang der 1990er Jahre vervielfacht. Damals gab es im ganzen Land etwa 2200 Menschen jüdischen Glaubens. Gewachsen sind die Gemeinden in erster Linie durch zugewanderte Juden aus Osteuropa. Mit dem 2010 unterzeichneten Staatsvertrag werden nicht nur finanzielle Fragen geregelt, auch der Schutz der Glaubensausübung und jüdischen Feiertage, der Rechtsanspruch auf Religionsunterricht und Seelsorge sind dort verankert.
Bevor das jüdische Leben unter der NS-Herrschaft zwischen 1933 und 1945 von den Deutschen zerschlagen wurde, lebten in Baden-Württemberg rund 35 000 Juden. Heute gehören der 1809 gegründeten Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRGB) in Karlsruhe zehn Gemeinden an: Pforzheim, Baden-Baden, Heidelberg, Emmendingen, Freiburg, Karlsruhe, Konstanz, Lörrach, Mannheim und Rottweil/Villingen-Schwenningen. Landesrabbiner ist seit 2012 Moshe Flomenmann.
In Württemberg besteht dagegen eine Einheitsgemeinde mit Zweigstellen in Stuttgart, Ulm, Esslingen, Heidenheim, Reutlingen, Aalen Heilbronn, Schwäbisch Hall, Weingarten und Bad Mergentheim. Landesrabbiner ist seit 2001 Netanel Wurmser.