Fernab der Kunstszene in schillernden Metropolen hat sich der Schraubenmilliardär Reinhold Würth in der tiefsten Provinz ein Reich mit Schätzen von Weltrang geschaffen. In Schwäbisch Hall hat der 81 Jahre alte Mäzen eine Kunsthalle aus dem Boden stampfen lassen – mit famosem Blick über die Fachwerkstadt. Was der Kaufmann seit den 1960er Jahren an Werken angeschafft hat, bildet heute eine der größten privaten Kunstsammlungen Europas – mit 17 000 Werken im dreistelligen Millionenwert.
Angefangen hat alles mit einem Aquarell von Emil Nolde mit dem Titel „Wolkenspiegelung in der Marsch“, das er 1964 in einer Galerie für rund 60 000 Mark kaufte. „Die Beschäftigung mit den Künsten war immer der Kontrapunkt zum beruflichen Leben“, sagt der Würth im Interview der Deutschen Presse-Agentur in seinem Zweitwohnsitz Salzburg. Ein Kunstbeirat aus handverlesenen Fachleuten wählt die Arbeiten heute aus – abhängig vom Betriebsergebnis.
Zuletzt wuchs die Sammlung um die 1000 Werke pro Jahr. „So ist das Ganze vom eher dilettantischen, amateurhaften Sammeln inzwischen zu einer einigermaßen professionellen Kollektion geworden“, sagt Würth.
Drei Millionen Menschen haben die Ausstellungen in der Kunsthalle unter anderem zu Edvard Munch, Frida Kahlo, David Hockney oder aktuell noch bis zum 18. September zu „Picasso und Deutschland“ besucht.
„Kein schlechtes Ergebnis für einen entlegenen Ort“, meint die Chefin der vor 15 Jahren eröffneten Kunsthalle, Sylvia Weber. Auf ihre Expertise verlässt sich Würth inzwischen seit etwa 30 Jahren. Weber ist die Hüterin der Sammlung mit Arbeiten von 2800 Künstlern, darunter die bedeutendsten Vertreter der Klassischen Moderne sowie Klassiker der zeitgenössischen Kunst.
„Zum Bestand zählen auch die größte Sammlung österreichischer Kunst außerhalb des Alpenlandes sowie mittelalterliche Meisterwerke wie die Holbein-Madonna, die zum nationalen Kulturgut gehört“, sagt Weber. Immer wieder findet sich Würth auch selbst in dem Kulturtempel – ein zweigeteilter Kubus des dänischen Architekten Henning Larsen – zu Vernissagen ein.
„Die Sammlung hat sicher meine Handschrift. Sie ist aber nicht hochintellektuell angelegt, nicht mit großem Tiefgang in die Kunstgeschichte hinein“, sagt er.
Immer wieder leiht die Sammlung Werke auch an andere Museen weltweit aus. Im September 2015 waren im Berliner Martin-Gropius-Bau in der Schau „Von Hockney bis Holbein. Sie Sammlung Würth in Berlin“ 460 Kunstwerke zu sehen.
Zum Kunstimperium des Weltmarktführers für Befestigungs- und Montageelemente gehören außerdem elf Dependancen in den Auslandsgesellschaften in Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Spanien und der Schweiz. „Das Ganze ist eine Firmen-Kollektion“, betont Würth. „Wenn mal Not am Mann wäre, könnte man von diesen Kunstwerken etwas verkaufen und Liquidität schaffen.“ Ein Notgroschen also. Verkauft hat er trotz teils kolossaler Wertzuwächse bisher noch nichts. Vor allem auch den Mitarbeitern im Unternehmen habe die Kunst „ein neues Fenster an Lebensqualität eröffnet“, meint Würth, der Ehrenbürger von Schwäbisch Hall ist, einer Kleinstadt mit rund 38 000 Bewohnern.
Neben der Kunsthalle mit der markanten Fassade aus fein gebrochenem Crailsheimer Muschelkalk und der für die mittelalterliche Kunstsammlung genutzten Johanniterkirche in Schwäbisch Hall dienen auch die Museen am Firmensitz im 20 Kilometer entfernten Künzelsau als Schauplätze für eine Kulturvermittlung, wie Weber berichtet. Den Sammler beschreibt sie als Perfektionisten mit unermüdlicher Neugier.
Das nächste Denkmal, das sich Würth setzen will, ist auch schon in Sicht. Das 60 Millionen Euro teure Kultur- und Kongresszentrum am Firmensitz in Künzelsau, das am 18. Juli 2017 eingeweiht werde, solle sein Vermächtnis an die Kommune werden. „Wir haben noch ein paar Ideen, die Kunsthalle in Schwäbisch Hall zu erweitern, aber das ist noch in einiger Ferne“, sagt Würth über weitere Pläne.
Der Eintritt in die Kunsthalle ist traditionell frei.