
"Ich glaube, ich habe im Kopf 30 Jahre lang an diesem Buch geschrieben", erklärte Katrin Schumacher, promovierte Literaturwissenschaftlerin, Moderatorin und MDR-Redakteurin, die Entstehung ihres Debütromans "Liste der gebliebenen Dinge". Bei ihrer Lesung im Rahmen der "Literatur allerorten"-Veranstaltungsreihe in Bad Mergentheim führte die Autorin aus, dass die Veröffentlichung in gewisser Weise ein Geschenk zu ihrem 50. Geburtstag in diesem Jahr gewesen sei.
Im Gespräch mit Beatrice Faßbender vor rund 100 Gästen im Reinhold-Würth-Haus erläuterte sie: "Der erste Satz war der schwierigste, aber als ich dann anfing, habe ich gemerkt, es ist schon alles da. Ich kannte die Figuren und das, was sie biografisch umtreibt." Doch sei es, wenn man sonst auf der Seite der Literaturkritik und der Literaturvermittlung stehe, "ein großer Schritt, sich selber mit dem, was man an literarischer Fantasie hat, auszustellen". Bei der Arbeit an ihrem Sachbuch "Füchse: ein Portrait" von 2020, das sie auch in Bad Mergentheim vor vier Jahren vorgestellt hatte, sei das anders gewesen.
Die Geschichte von einem Liebespaar mit märchenhaften Elementen
Geschrieben habe sie allein für sich, so die Literaturjournalistin, die unter anderem zum 3sat-"Buchzeit"-Team gehört – die eigene innere Literaturkritikerin habe sie ausblenden können. "Aber ich glaube daran, dass das professionelle Lesen und das Wissen darum, wie Literatur funktionieren kann, mir sehr geholfen hat, trittsicher zu schreiben. Ich schreibe einen Absatz und der stimmt eigentlich, ich muss nicht viel daran feilen."
Ihr Roman "Liste der gebliebenen Dinge", der den Arbeitstitel "Die Bude" getragen habe, handle von zwei Personen, Mirren und Kato, "die versuchen, in verschiedenen Räumen zu existieren", so Katrin Schumacher. Die Geschichte des Liebespaares werde aber nicht von vorne nach hinten erzählt, sondern über Sprünge in drei Zeitebenen, ausgeschmückt mit fantasievollen und schaurigen Elementen und immer wieder verwoben mit Märchen und märchenhaften Motiven, die vorkommen, "wenn es einer Person nicht gut geht und sie eine tröstende Funktion haben", stellte Beatrice Faßbender fest. "Die Märchen erlauben mir außerdem, noch eine Etage tiefer in der psychischen Verfassung der beiden zu kommen", ergänzte Katrin Schumacher.
Wichtig ist Katrin Schumacher auch "das Archivieren", das detaillierte Beschreiben der Natur, ihrer Kraft und der naturnahen Vorgänge, wie das Kochen. "Es war ein großer Spaß, sich die Frage zu stellen, wie bringe ich die Natur in eine literarische Form?" Sie wolle einen frischen Ansatz liefern, "aus der Faszination heraus eine Sprache dafür finden, was um uns herum ist." Dem fremden Blick auf die Natur folge der Respekt, meinte die Tochter eines Biologielehrers, die in ihrer Kindheit viele "Was ist was"-Bücher gelesen habe – und die Hinweise auf den Klimawandel in die Geschichte hat einfließen lassen.
Eine Sehnsucht nach dem Landleben sei das Buch aber nicht, sie lebe gerne in der Stadt, wie seit 17 Jahren in Halle an der Saale. Auch Antwerpen, wo sie einige Zeit sehr gerne wohnte, kommt in der Handlung vor. Für den Roman sei sie extra nochmals dort hingefahren, um Sinneseindrücke und Wahrnehmungen zu sammeln und diese in die Erzählung zu übersetzen. Mit dem Schreiben und der Suche nach dem richtigen Satz habe sie insgesamt versucht, "ein Roman-Gemälde zu schaffen".

Die Geschichte lasse Spielraum für Interpretationen, meinte Beatrice Faßbender, was beispielsweise die Identität und Beziehung der Protagonisten betreffe und auch, wie der Plot weitergehen könne. Die Autorin bestätigte diesen Eindruck, was aber so gewollt sei: "Es ist ein bisschen ein unzuverlässiges Buch." Beatrice Faßbender fasste am Ende der Lesung zusammen: "Liebe, Essen, Zeit, Vergänglichkeit, Kunst und Natur – es ist eigentlich alles drin."