Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Ellwangen hat am Donnerstag die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Hans Lipschis abgelehnt. Er gehört zu jenen mutmaßlichen KZ-Wärtern, die derzeit Gegenstand von Ermittlungen sind.
Der gebürtige Litauer war als Angehöriger der Waffen-SS von 1941 bis 1945 im Konzentrationslager Auschwitz tätig. 2013 setzte ihn das Simon-Wiesenthal Center auf seine Liste der zehn meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher. Am 6. Mai 2013 wurde er in Aalen verhaftet. Hier ist das Landgericht Ellwangen zuständig, dessen Einzugsbereich bis Bad Mergentheim reicht.
Mit Anklage vom 20. September 2013 hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihm zur Last gelegt, in zwölf Handlungen „anderen zum heimtückisch und grausamen begangenen Mord an insgesamt 10 510 Menschen Hilfe geleistet zu haben.“ Lipschi gehörte zwischen 1941 und 1943 als Angehöriger des SS-Totenkopf-Sturmbanns zumindest zeitweise zur Wachbereitschaft im Konzentrationslager Auschwitz.
Verhandlungsunfähig
Er habe damit „den Lagerbetrieb und damit die Vernichtungsaktionen unterstützt,“ meint die Anklagebehörde.
Die Kammer hat die Eröffnung des Hauptverfahrens nun abgelehnt. Sie ist der Überzeugung, dass der 94-jährige Angeschuldigte verhandlungsunfähig ist. Die Kammer stützt sich dabei auf den eigenen persönlichen Eindruck von ihm sowie auf das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen. Dabei hat die Kammer auf der Grundlage langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorausgesetzt, dass dem Angeschuldigten nicht allein eine Tätigkeit als Wachmann im Konzentrationslager nachgewiesen werden müsste.
Vielmehr könne eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord – alle anderen Straftatbestände sind bereits verjährt – nur dann erfolgen, wenn er konkrete Tötungshandlungen gefördert hat und dabei alle Umstände kannte, die diese Tötungshandlungen als heimtückisch und grausam begangene Morde kennzeichnen.
Jedenfalls der Nachweis dieser Kenntnis sei aber nur in einer umfassenden, schwierigen und komplexen Beweisaufnahme möglich, betont das Gericht.
Der Angeschuldigte leide altersbedingt unter einem sich stetig entwickelnden demenziellen Abbauprozess, der zur Folge habe, dass seine intellektuelle Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt sei. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis sei erheblich gestört.
Deshalb sei er nicht in der Lage, die schwerwiegenden Anklagevorwürfe im einzelnen zu erfassen, sich mit ihnen differenziert auseinanderzusetzen und in einer voraussichtlich langwierigen Hauptverhandlung in verständiger Weise von seinen Verfahrensrechten Gebrauch zu machen.
Entschädigung gefordert
„Eine angemessene Verteidigung wäre deshalb nicht möglich, er würde zum bloßen Objekt des Verfahrens“, heißt es in der Begründung der Schwurgerichtskammer des Landgerichts.
Darüber hinaus hat die Kammer angeordnet, dass der Angeschuldigte für die Untersuchungshaft vom 6. Mai bis zum 6. Dezember 2013 zu entschädigen sei.