Die Reihe der Veranstaltungen, die sich im Verlauf des Schuljahrs 2018/19 um das 50-jährige Jubiläum des Martin-Schleyer-Gymnasiums (MSG) ranken, wurde nun mit einem Vortrag von emeritierten Domkapitulars Jürgen Lenssen in der Barockkirche Heilig Kreuz in Gerlachsheim fortgesetzt. Das geht aus einer Pressemitteilung hervor.
Anlässlich seines Jubiläums blickt das Martin-Schleyer-Gymnasium nicht nur zurück, wie Schulleiter Jürgen Gernert in seiner Begrüßung verdeutlichte, sondern hat es sich zur Aufgabe gestellt, allen am Schulleben Beteiligten einen Wertekanon zu vermitteln, der einen menschlichen Umgang im täglichen Miteinander möglich macht.
Die Schaffung einer solchen wertebasierten Schulkultur wurde bereits mit einem pädagogischen Tag, der sich mit der Rolle von Lehrern in einem wertebewussten Schulalltag befasste, der Verleihung des Titels „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und einem Vortrag des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Josef Schuster, in die Wege geleitet. Lenssens Vortrag zu dem Thema „50 Jahre MSG - Ausblicke und Anstöße für die Zukunft“, so Gernert, solle diese Entwicklung nun fortsetzen und weiter ausbauen.
Ausgehend von der Frage, welche innere Haltung wir Menschen gegenüber der Zukunft einnehmen, um überhaupt eine Zukunft zu haben, suchte Lenssen zunächst Anstöße zu möglichen Antworten bei vier Gedichten von Erich Fried, Günter Grass und Eva Zeller. Diese wurden zunächst von Schülerinnen und Schülern des MSG vorgetragen wurden.
In seinen Reflexionen über diese Texte machte Lenssen deutlich, dass seines Erachtens Zukunft nur gewonnen werden kann, wenn man sich nicht hinter Autoritäten versteckt, sonder mutig zu sich selbst steht. Es sei allen zu misstrauen, die mit dem Anspruch auftreten, ihr Weg sei der einzig richtige. „Ein solcher Absolutheitsanspruch muss uns Angst machen, schuf er doch in unserer Vergangenheit und schafft er in unserer Gegenwart in seinem Rigorismus unzählige Opfer“.
Menschliche Würde als Zukunftsaufgabe
Zweifel sei notwendig um den Weg der Selbstfindung zu eröffnen, man müsse sich erheben, sich vorwärts bewegen in eine Zukunft, die allerdings keine Wunschwelt sei, in der man sich das Gewünschte wie aus einem Katalog bestellen könne. Vielmehr gelte es, bezüglich der Zukunftserwartung jegliche Maßlosigkeit, jegliche Form von Ausbeutung - auch die von zwischenmenschlichen Beziehungen - zu vermeiden. Wolle man zu sich selbst finden, müsse die eigene Bemessenheit erkannt werden.
In diesem Zusammenhang, so führte Lenssen weiter aus, sei es die Aufgabe der Schule, junge Menschen auf ihre Zukunft vorzubereiten und sie in die Lage zu versetzen, diese zu bewältigen. Dabei gehe es nicht um reine Anhäufung von Wissen, sondern eben auch um die geistige Prägung aller am Schulleben Beteiligten: Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Schon vom ersten Schultag an machten Schüler die Erfahrung, dass jede Aufgabe, jede Anforderung durch das gemeinsame, auf gegenseitiger menschlicher Wertschätzung beruhende Bemühen von Schülern. Kollegium und Elternschaft gemeistert werden kann.
Diese gegenseitige menschliche Wertschätzung müsse jedoch die räumlichen Grenzen der Schule überschreiten und alle Menschen einschließen, vor allem aber jene, die in irgendeiner Form ausgegrenzt oder diskriminiert würden.
Angst ist nie ein Lehrmeister
Familiäre und schulische Erziehung müsse zum Ziel haben, den Menschen zu sich selbst und zu einem von Menschenliebe geprägten Lebensentwurf finden zu lassen. Allerdings müsse der Einzelne selbst die Entscheidung treffen, ob er sein Leben fremdbestimmt leben und sich in einer inneren Leere verlieren wolle, oder ob er jene innere Freiheit anstrebe, in der selbstbestimmte Entscheidungen getroffen werden können.
Eine solche Erziehung werde von Schülerinnen und Schülern akzeptiert, wenn sie als ein auf gegenseitiger Wertschätzung und gegenseitigem Respekt beruhenden Miteinander erfahren werde. Dann würde aus der schulischen Bildung nicht Angst vor der Zukunft, sondern Hoffnung auf die Zukunft erwachsen. Dies sei möglich, wenn die Schule die elterliche Erziehung „zur inneren Freiheit, zur Erkenntnis der eigenen Würde und Verantwortung sowie zum Zugeständnis der Würde des Anderen“ durch die Hinführung zu einem angstfreien Leben und Miteinander begleite.
Menschlichkeit als Norm
Wenn Schule sich nicht primär als Lehranstalt von abrufbarem Wissen, sondern als Wertevermittlerin, welche die Menschlichkeit als oberste Norm erkennt und durch die Schaffung eines entsprechenden Klimas vorlebt und praktiziert, versteht, wird sie „zum entscheidenden Eintritt in eine Zukunft, für die Menschlichkeit gültige Norm ist. Wenn man lerne, Menschlichkeit zu leben, werde man auch selbst in deren Genuss kommen. „Leute, seid endlich menschlich.“ so das Fazit Lenssens.
Zum Abschluss der Veranstaltung machte Abteilungsleiter Andreas Roser deutlich, dass die klaren Gedanken Lenssens von vielen Mitgliedern des Kollegiums positiv aufgenommen würden und das MSG stolz sei, dass er ein Freund der Schule geworden sei. Nun komme es darauf an, die in seinem Vortrag genannten Anstöße im normalen Unterrichtsalltag umzusetzen. Der Lehrer-Eltern-Schüler-Chor des MSG unter der Leitung von Sabine Ultes gestaltete die Veranstaltung musikalisch mit.