Das klingt nach einem Luxusproblem: Das Land hat mehr Geld zur Verfügung als erwartet. Die Regierung beteuert, für schlechte Zeiten vorbauen zu wollen. Doch die Opposition vermutet da was ganz anderes. Wohin mit Steuermehreinnahmen und Überschüssen des Landes? Darüber gehen die Meinungen von Opposition und Regierung weit auseinander. CDU und FDP forderten Grün-Rot am Mittwoch im Landtag auf, das Geld zu nutzen, um sofort keine neuen Schulden mehr aufzunehmen.
Finanzminister Nils Schmid (SPD) verwies hingegen auf Risiken, für die der Landeshaushalt gewappnet sein müsse. Dazu zähle ein für diesen Sommer erwartetes Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Thema Altersdiskriminierung von Beamten, das Mehrausgaben im dreistelligen Millionenbereich nach sich ziehen könne. CDU und FDP vermuteten hingegen, die Landesregierung wolle Geld bunkern, um die Bürger zur Landtagswahl 2016 mit Wahlgeschenken zu beglücken. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Land nach vorläufigen Zahlen einen Überschuss von 1,6 Milliarden Euro. Zudem hatte die Steuerschätzung von Anfang Mai ergeben, dass Baden-Württemberg mit Steuermehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro im Vergleich zum Haushaltsansatz 2014 rechnen kann. Für 2015 bis 2017 wird von einem Zusatzplus von jeweils rund 300 Millionen Euro ausgegangen.
Die Landesregierung plant, erstmals im Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen. Dann greift auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Einen früheren Verzicht auf neue Schulden hält Grün-Rot nicht für möglich. Die Regierung argumentiert, dass zunächst noch eine Deckungslücke geschlossen werden müsse, die jährlich 2,5 Milliarden Euro hoch war und die nun etwa zur Hälfte abgebaut ist. CDU-Fraktionschef Peter Hauk forderte eine Nullverschuldung „jetzt und nicht erst an Sankt Nimmerlein“. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf Schmid vor, das Geld wie ein Eichhörnchen zu horten, um 2016 einen „Volksbeglückungswahlkampf“ führen zu können. „Sie wollen sich Wählerstimmen erkaufen.“ Schmid müsse endlich für Transparenz in seinem Haushalt sorgen und erklären, welche Reserven wo vorhanden sind.
Andere Bundesländer bauten längst Schulden ab – dies sei auch für Baden-Württemberg möglich. „Hören Sie damit auf, künftige Generationen mit Schulden zu belasten, wo es nicht notwendig ist“, so Rülke. Das Land hat Schulden von 45,1 Milliarden Euro. Anlass der Debatte war die Einbringung eines Nachtragshaushalts, mit dem Grün-Rot den Vorfinanzierungsrahmen für Bundesfernstraßenprojekte um 40 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro anhebt. Damit zieht die Regierung Konsequenzen aus der wochenlangen Diskussion um nicht abgerufene Bundesmittel für den Fernstraßenbau vom vergangenen Jahr. Bei der Vorfinanzierung handelt es sich um Mittel, die das Land vorschießt, um mit Projekten beginnen zu können, die dann aber vom Bund übernommen werden sollen. Zudem bekommt die Straßenbauverwaltung 30 neue Stellen, die Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) allerdings aus seinem eigenen Etat finanzieren muss. Damit habe das Verkehrsministerium nun alles, was es brauche, um die für dieses Jahr erwarteten Zusatzmittel des Bundes abrufen zu können, sagte Schmid. Die Opposition nutzte die Gelegenheit, um noch einmal kräftig auf die Straßenbaupolitik von Grün-Rot einzuschlagen. „Sie wollen nicht bauen, weil Sie etwas gegen Straßenbau haben“, sagte etwa CDU-Fraktionschef Hauk. Sein Kollege Rülke warf Minister Hermann vor, eine „Mobilitätsallergie“ zu haben. Grün-Rot wies das vehement zurück. Hermann selbst erklärte, es würden an allen Ecken des Landes Straßen gebaut und saniert – was die Opposition wohl ignoriere.