Sie arbeiten in einer der höchsten und ungewöhnlichsten Wetterwarten Deutschlands. Auf dem Feldberg im Schwarzwald stehen Meteorologen im Wind. Und fast das ganze Jahr im Schnee.
Wind und Wetter sind ihr Beruf: Norbert Laile und seine Kollegen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) beobachten rund um die Uhr Wolken und Witterung. Sie registrieren Regen und Schnee, messen Luftdruck und Sonnenscheindauer. Vor ihrer Haustür bietet sich ein Wetter der Extreme. Die Meteorologen arbeiten in der Wetterwarte auf dem Feldberg im Schwarzwald. Es ist eine der ungewöhnlichsten Wetterstationen in Deutschland. Schnee liegt fast das ganze Jahr, der Wind bläst mit Autobahngeschwindigkeit. Höher ist nur die Zugspitze.
Den Weg zur Arbeit legt Laile in der Pistenraupe zurück. Mit dem Auto oder zu Fuß ist auf dem Berg im Winter kein Durchkommen. Der Schnee liegt meterhoch – monatelang. Vor die Tür kann sich Laile nur dick vermummt und mit schützender Brille wagen. Es bläst ihm mächtiger Wind mit hohem Tempo eiskalt um die Nase.
Traum vom Polarforscher
„Als Kind wollte ich Polarforscher werden“, sagt der 63-Jährige. Verschlagen hat es den gelernten Elektriker auf den 1493 Meter hohen Feldberg im Schwarzwald. „Mehr Polar gibt es in unseren Breiten nicht“, sagt er.
Seit genau 40 Jahren arbeitet Laile hier als Wetterfachmann. 1973 hat er angefangen, heute ist er Leiter der Station. Außergewöhnlich ist deren exponierte Lage. Die 1914 gegründete Wetterwarte steht auf der höchsten Erhebung aller deutschen Mittelgebirge. Der letzte Schnee schmilzt hier im August, Neuschnee kommt dann oft schon im September. Kälterekord sind minus 31 Grad. Gemessen wurde er 1956. Und es regnet und schneit weitaus häufiger als anderswo.
„Das Wetter fährt hier oben Achterbahn“, sagt Lailes Kollege Günter Diez. Der 58-Jährige ist seit 1979 Wetterbeobachter auf dem Feldberg. Er arbeitet, wie seine Kollegen, im zwölf Meter hohen Beobachtungsturm der Wetterstation. Typisch für die Berge ist das wechselhafte Wetter. Innerhalb von Minuten kann es umschlagen.
Hinzu kommen niedrige Temperaturen und der starke Wind. Das ist äußerst unangenehm, für die Experten, aber ideal. Denn auf dem Berg lässt sich das Wetter besonders gut beobachten und vorhersagen. Ein Grund sind die enormen Sichtweiten. Bei gutem Wetter reicht der Blick von der Station auf dem Feldberg im Osten 230 Kilometer weit bis zur Zugspitze und im Süden 243 Kilometer bis zum Mont Blanc.
Fünf Meteorologen schauen, nur wenige Meter unterhalb des Feldberggipfels, ständig auf die Witterung. Ihre Daten sind die Grundlage für Wettervorhersagen und Unwetterwarnungen, bilden die meteorologische Basis für den Luft- und Schiffsverkehr. Und sie machen Schadensvorhersagen möglich, zum Beispiel bei atomaren Zwischenfällen, aber auch Service wie den Blick auf den Pollenflug.
Sensible Messinstrumente nehmen jederzeit Wetterdaten auf. Hinzu kommt die menschliche Beobachtung. Die Experten schauen und melden, wie sich Wolken und Sichtweiten entwickeln, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit oder wie der Niederschlag aussieht.
Weil die Wetterwarte ungeschützt auf einer Bergkuppe steht, ist sie der extremen Witterung ausgesetzt. Windgeschwindigkeiten von deutlich mehr als 100 Kilometer pro Stunde (km/h) sind keine Seltenheit. Rekord war Orkan Lothar. Er peitsche an Weihnachten 1999 über den Berg, gemessen wurden 212 Stundenkilometer. Er war so stark, dass die Stromversorgung zusammenbrach und die Messinstrumente lahmlegte.
Wenig Sonne und einsam
„Wir sind uns sicher, dass die Geschwindigkeit höher war“, sagt Laile. „Aber offiziell ist immer nur der Wert, der zweifelsfrei gemessen wird.“ Eindeutig ist die jährliche Durchschnittstemperatur. Sie liegt bei 3,3 Grad. In der Rheinebene, nicht weit entfernt, sind es über zehn Grad mehr.
Eine Schönwetterstation ist der Feldberg nicht. Das markante Gebäude ist meist in den Wolken, an 262 Tagen im Jahr ist Nebel. Die Sonnenscheindauer ist gering. Hinzu kommt die Einsamkeit. Rund um die Wetterwarte ist nur Natur. Laile und seine Familie haben 14 Jahre lang hier gewohnt. Als der Sohn ins Gymnasium, zogen sie in die nahe Stadt. Seither ist die Wetterstation allein Arbeitsplatz.
„Wir sind eine aussterbende Art“, sagt Laile. Von den deutschlandweit rund 50 dauerhaft mit hauptamtlichem Personal besetzten Wetterstationen des DWD sollen mittel- und langfristig rund 30 übrig bleiben, sagt ein Sprecher des Dienstes. Auch auf dem Feldberg übernehmen, wenn Wetterbeobachter in Pension gehen, eigenständig arbeitende Messinstrumente deren Tätigkeit. In einigen Jahren werden Meteorologen auf dem Schwarzwaldgipfel, nach mehr als einem Jahrhundert, der Vergangenheit angehören.