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STUTTGART
Heftige Debatte um Tattoo-Verbot
Nehmen Anstoß: Piercings und schwer zu verdeckende Tätowierungen sollen für baden-württembergische Polizisten verboten werden.
Foto: DPA | Nehmen Anstoß: Piercings und schwer zu verdeckende Tätowierungen sollen für baden-württembergische Polizisten verboten werden.
Puls Conny
 |  aktualisiert: 01.11.2013 15:33 Uhr

Es gab auch schon mal eine deutsche „First Lady“ mit einem sichtbaren Tattoo am Oberarm. Kann man Polizisten das dann verbieten? Zumal, wenn es sich um einen Engelsflügel handelt?

Die junge Polizistin hat ein Problem. Am rechten Handgelenk. Der dort tätowierte Engelsflügel ist vier Zentimeter breit und sieben Zentimeter lang – und wohl bald auch ganz offiziell verboten. Die 27-Jährige trägt ihn dennoch mit Stolz. „Weil er mir privat sehr viel bedeutet“, sagt sie. „Ich habe das vor zwei Jahren für mich entschieden – obwohl ich wusste, dass ich es eigentlich nicht darf.“ Jetzt verdeckt sie es während der Dienstzeit mit der Uhr. Auch ihr Nasenpiercing, einen kleiner Stecker, und ihre Ohrstecker nimmt sie raus. Körperschmuck ist über Nacht zu einem Thema bei der Polizei in Baden-Württemberg geworden, seit der neue Landespolizeipräsident sich der Sache angenommen hat. Gerhard Klotter, der Neue, bastelt gerade an einem Erlass, der seinen Polizisten Piercings oder schwer zu verdeckende Tätowierungen ganz offiziell verbieten soll. Was bisher weitgehend auch so akzeptiert wurde, soll nochmal schriftlich fixiert werden. Der Polizeiführung scheint ein modernisierter Erlass notwendig, seit Tattoos nach und nach ihren Weg aus der Schmuddelecke gefunden haben – bis auf den Arm der ehemaligen Bundespräsidenten-Gattin Bettina Wulff.

Angriffspunkte

Im Kern der ganzen Debatte steht die Frage, wie ein Polizist auftreten muss, um für voll genommen zu werden. Akkurates Äußeres verstärke die Autorität, hat die Polizeihochschule Villingen-Schwenningen herausgefunden. Kumpelhaft anbiedernder Umgang verschärfe die Aggression gegenüber den Staatsbediensteten, meint auch Innenminister Reinhold Gall (SPD). Doch welche Rolle spielen dabei Tattoos und Ohrringe? Wuchs zuletzt die Aggression gegen Polizisten auch weil ihr Erscheinungsbild nicht stimmt? Baden-Württembergs letzte Polizeiverordnung zu dem Thema ist mehr als 30 Jahre als – und von den gesellschaftlichen Entwicklungen überholt. Tattoos werden eben längst nicht mehr nur von Sträflingen oder Seemännern getragen.

Körperkunst einzuschränken, etwa auf den nicht sichtbaren Bereich bei der Sommeruniform, findet sogar die Polizistin mit dem Engelsflügel richtig. „Wenn jeder zweite eine Tätowierung hätte, fände ich das auch nicht so toll“, sagt sie. „Man darf es halt nicht übertreiben.“ Und staatsfeindliche Symbole oder Schriften seien ja aus sehr gutem Grund tabu. Wenig Verständnis hat sie hingegen für das diskutierte Ohrring-Verbot. „Das ist nicht logisch“, sagt die 27-Jährige, die beim Ermittlungsdienst arbeitet und die meiste Zeit im Büro sitzt. Das Argument der Verletzungsgefahr ziehe bei ihren kleinen Steckern ohnehin nicht.

Kirche im Dorf lassen

Bei großen Creolen möge das anders sein, aber eben auch nur bei Kolleginnen im Außendienst, meint sie. Das räumt auch die Gewerkschaft ein: Ohr- oder Nasenringe seien nun mal Angriffspunkte. „Diese Steilvorlage sollten wir niemandem liefern“, sagt Hans-Jürgen Marker, Experte bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Die Debatte im Südwesten hält er für aufgebauscht. „Man sollte die Kirche im Dorf lassen.“ Die Polizei habe wahrlich andere Probleme als sichtbare Tattoos, Zungenpiercings oder Haarlängen: „Uns fehlen 20 000 Polizisten auf der Straße.“

 
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