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TÜBINGEN
Großes Puzzle bereitet Geldsorgen
lsw
 |  aktualisiert: 28.05.2012 16:53 Uhr

Seit einem Vierteljahrhundert führen deutsche Archäologen die Grabungen in Troja. Jetzt geben sie den Grablöffel an die Amerikaner weiter und ziehen Bilanz. Außerdem müssen die Forscher neue Geldgeber finden.

Der Tübinger Professor Ernst Pernicka vergleicht die Grabungen in Troja mit einem großen Puzzle. Dafür haben Forscher in den vergangenen Jahrzehnten etliche Teile aus dem Boden gehoben. „Jetzt ist es an der Zeit, sie zusammenzusetzen“, sagte Pernicka der Nachrichtenagentur dpa. Bis 2015 will er sechs Bände vorlegen, die sowohl das Troja der „Ilias“ beleuchten als auch die Stadt in der griechisch-römischen Zeit. Parallel dazu werden die Grabungen fortgesetzt, allerdings sollen die langjährigen US-amerikanischen Partner mehr Verantwortung übernehmen.

Pernicka setzt mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung seinem Vorgänger Manfred Korfmann ein Denkmal, der von 1988 bis zum Tod 2005 die Grabungen leitete. Dessen Erkenntnisse seien zwar in Einzelbänden aufgeführt – „inzwischen sind es 19 Stück und damit eineinhalb Meter Literatur“ – aber die Einordnung stehe noch aus, erläuterte Pernicka. Zugleich dämpfte er überzogene Erwartungen, die beim Thema Troja immer mitschwingen: „Sensationen sind nicht zu erwarten.“ Mit Heinrich Schliemann, der 1873 mit den Ausgrabungen begann, und seinen Nachfolgern sei die etwa zwei Hektar große Oberstadt Trojas und damit ihre Bedeutung in der Bronzezeit recht gut dokumentiert. „Wir hatten es jetzt mit den Mühen der Ebene zu tun.“ Als wichtigen Beitrag der Tübinger Forschergruppe nannte Pernicka die Erforschung eines Grabens um die Stadt, der inzwischen zur Hälfte freigelegt sei. „Wir konnten nachweisen, dass wir es mit einem Verteidigungssystem aus dem 13. Jahrhundert vor Christus zu tun haben.“

Nicht zuletzt wegen fehlender Sensationen sei es schwer, Geldgeber für die Grabungen zu finden. Die Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft war Ende 2009 ausgelaufen. „Ich verbringe meine Zeit inzwischen hauptsächlich damit, Anträge und Gutachten zu schreiben“, sagte Pernicka. Die sechs geplanten Bände finanziere jetzt eine US-amerikanische Stiftung – mit rund 100 000 Euro. Geldsorgen sind für die Tübinger Archäologen auch ein Grund, die Führung der Grabungen ab 2013 den Amerikanern zu überlassen. „Die türkischen Behörden knüpfen die Genehmigung an die Bezahlung eines Regierungsvertreters und der Wächter sowie an die Instandhaltung der Wege für Touristen. Da kommen schnell bis zu 80 000 Euro zusammen.“ Der Wechsel sei aber auch inhaltlich begründet. Nach der Oberstadt rücke jetzt die in griechisch-römischer Zeit bedeutende Unterstadt in den Fokus, die sich über 35 Hektar erstrecke. Dieses Areal sei von Beginn an von den Amerikanern erforscht worden. „Dann ist es nur vernünftig, wenn sie jetzt vorangehen“, sagte Pernicka. Sie planten, den Marktplatz (Agora) freizulegen und Architekturblöcke aus dem Trümmerfeld zusammenzustellen. „Das macht natürlich was her – und ist auch für den Tourismus interessant.“ Pernicka schloss nicht aus, dass sich deutsche Forscher in Zukunft wieder stärker in Troja engagieren. Allerdings hänge dies auch von der türkischen Regierung ab. Dort gebe es Bestrebungen, die Arbeiten verstärkt in die Hände türkischer Wissenschaftler zu legen.

Als interessantes Forschungsobjekt nannte Pernicka die Suche nach dem Friedhof von Troja. „Das ist noch die ganz große Frage: Wenn da einige tausend Menschen gewohnt haben, wo ist dann das Gräberfeld?“. Die Wissenschaft vermutet, dass es mehrere Meter tief vergraben ist. Damit bleibt es wohl unerreichbar. „Denn in Troja können Sie ja nicht mit einem Bagger graben, sondern nur mit einem Löffel.“

 
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