Mitten im Glockengeläut griff der Schriftsteller Klaus Zeh bei der Vorstellung seines 2018 erschienenen Romans „Mozart lebt“ im Klanggarten des Bad Mergentheimer Kurparks gleich in die Vollen: „Das ist der einzige historische Mozart-Roman über den erwachsenen Mozart in der deutschen Gegenwartsliteratur; eigentlich unglaublich.“ Lässt man die Gegenwartsliteratur nach dem Zweiten Weltkrieg beginnen, wird man jedoch durchaus anderswo fündig.
Sei´s drum, mit Plattenspieler nebst Schallplatten und einem Geigenkasten zeichnete Klaus Zeh mit angenehm-wohliger Stimme das Leben und Wirken des Genies Mozart mit Romanauszügen für eine gute Stunde nach. Angeregt wurde er zu diesem Werk nach der Lektüre zahlloser Biografien, in denen er abstruse und widersprüchliche Behauptungen entdeckte. Einig sind sich alle Biografen über die unfassbare Produktivität des Komponisten, dem seine Wunderwerke scheinbar mühelos aus der Feder flossen. Davon bekamen die Gäste im Klanggarten bei der von Klaus Zeh aufgelegten Platte mit der Ouvertüre aus Figaros Hochzeit nur einem müden Abklatsch zu hören.
Unwirtliches Wien
Der vollständige Romantitel „Mozart lebt oder der Fall des Harlekins“ nimmt Bezug auf Mozarts Vorliebe, im Karneval gerne als Harlekin aufzutreten. Die zur Lesung ausgewählten Passsagen vermittelten anschaulich die Atmosphäre und Lebensbedingungen für Mozart und seine Zeitgenossen am Ende des 18. Jahrhunderts. Es ist ein kaltes und eher unwirtliches Wien, durch dessen Gassen der Autor den Komponisten schickt.
Das Zeitalter ist geprägt von grenzenlosem Überfluss aufseiten des Adels und grenzenloser Armut der breiten Bevölkerung. Ungerechtigkeit und Ausbeutung sind an der Tagesordnung. Unzureichende Hygiene und medizinische Versorgung befördern Seuchen und Epidemien. Von ernsten Krankheiten blieb auch das sich nicht immer innig liebende Ehepaar „Wolferl und Stanzerl“ nicht verschont, auch wenn es sich in privilegierten Kreisen bewegen konnte. In diesen galt es, den schönen Schein zu wahren, auch wenn es hinter den glänzenden Fassaden oft ganz anders aussah.
Klaus Zeh beginnt seine Lesung mit dem 1. Mai 1786, dem Tag der Uraufführung von Figaros Hochzeit im Wiener Burgtheater, um dann später den Zuhörer mit den Geschehnissen an Mozarts letztem Tag in der Öffentlichkeit am 18. November 1791 zu fesseln: Schilderungen und Andeutungen, die vor allem den Freunden der Kriminalistik Freude bereitet haben dürften.
Denn Mozart lässt kundtun, dass man ihm anscheinend nach dem Leben trachtet; ja, er soll sogar in seinen letzten Tagen gesagt haben, dass er glaube, vergiftet worden zu sein. Passenderweise soll sein Konkurrent Salieri vor seinem eigenen Tod diese monströse Tat zugegeben haben. Der Kinofilm "Mozart" von Milos Forman lebt von diesem spannenden Plot, und auch Klaus Zeh lässt Mozart durch Wiens Gassen irren, wo er einen seltsamen Fremden verfolgt.
Nüchterne Wirklichkeit
Die Wirklichkeit ist ein wenig nüchterner, denn nach den Aufzeichnungen der behandelnden Ärzte litt Mozart nach heutigem Wissensstand an akutem Fieber und geschwollenen Gelenken; ein rheumatisches Entzündungsfieber, ausgelöst durch eine Infektion mit Streptokokken. Wenig bekannt ist der von Klaus Zeh „ausgegrabene“ Fakt über Mozarts „theuersten Freund“ und Komponisten Gottfried von Jacquin, mit dem er ernsthaft die Gründung einer Freimaurer-Loge diskutierte, die erstmals auch den Frauen einen Zugang ermöglichen sollte. Nach Mozarts Tod gab dieser Gottfried einige Werke des Freundes als seine eigenen aus.