Kurz vor der Landtagswahl löst die Regierung ein altes Versprechen ein und veröffentlicht den ersten Armutsbericht. Doch neben armen Familien brauchen auch Flüchtlinge Hilfe – das gibt es nicht umsonst.
Als Konsequenz aus dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg will die Landesregierung Alleinerziehende und ihre Kinder stärker unterstützen. „Obwohl Baden-Württemberg sicherlich zu den stärksten und reichsten Regionen gehört, gibt es auch hierzulande Armut und soziale Ausgrenzung“, sagte Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) am Montag bei der Vorstellung des 900 Seiten starken Dokuments. Es soll zum ersten Mal einen umfassenden Überblick über die Verteilung von Armut und Wohlstand im Südwesten liefern.
Alleinerziehende und Kinder
Gewerkschaften und Verbände forderten nach der Veröffentlichung schnelles Handeln. Doch auch Flüchtlinge dürften nicht zu kurz kommen, sagte Altpeter - das werde aber kosten. „Die Daten zeigen, dass insbesondere Alleinerziehende und ihre Kinder besonders armutsgefährdet sind, und zwar mit zunehmender Tendenz“, sagte Altpeter. Der Bericht konzentriert sich vor allem auf die Kinderarmut, seine Daten beziehen sich auf das Jahr 2012.
Demnach galten knapp die Hälfte der Personen in alleinerziehenden Familien als armutsgefährdet - in jeder sechsten Familie im Land gab es nur ein Elternteil. Im Vergleich mit anderen Bundesländern stehe Baden-Württemberg aber gut da, sagte Altpeter: Mit Bezug auf das mittlere Einkommen in Baden-Württemberg waren insgesamt knapp 15 Prozent der Menschen von Armut bedroht.
Noch in dieser Legislaturperiode seien nun eine Reihe von Vorhaben anzugehen: Das Land müsse die Förderung des sozialen Wohnbaus klären, sich bei den Bundesländern für mehr Kindergeld für Alleinerziehende einsetzen, die Teilzeitausbildung für Alleinerziehende ausbauen sowie entscheiden, wohin die Mittel aus dem gekippten Betreuungsgeld fließen sollen. Der Ausbau der Kinderbetreuung und die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen hätten schon dazu beigetragen, Armut zu bekämpfen. Doch der Armutsbericht und seine geplanten Neuauflagen sollten die Grundlage für die langfristige Politik auch nach der Landtagswahl sein.
„Ich kann nicht sagen, am 13. März 2016 habe ich hier das Thema Armut erledigt“, sagte Altpeter. Eine Konkurrenz zwischen Flüchtlingen und Ärmeren wolle die Regierung unbedingt vermeiden. „Es darf nicht dazu kommen, dass man Schwache gegen ganz Schwache ausspielt“, sagte Altpeter. Mehr Wohnungen seien nötig sowohl für Asylsuchende wie auch für Familien mit Kindern. Auch die Förderung von Ausbildung und beruflicher Qualifizierung müsse für alle gelten.
Die Folge: Das Land müsse mehr Geld in die Hand nehmen. Verbände und Gewerkschaften begrüßten die Veröffentlichung des Berichts und forderten schnelle Konsequenzen ein. „Jetzt geht es darum, Handlungen folgen zu lassen“, sagte Eva-Maria Armbruster, Vorstandsvorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege.
Der Bericht dürfe kein „Schubladenakt“ bleiben. Auch sei das Thema Reichtum im Vergleich nur sehr kurz behandelt - das müssten zukünftige Auflagen dringend nachholen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nannte die Erkenntnisse alarmierend: Die Schere zwischen Arm und Reich sei weiter auseinandergegangen, sagte der Landesvorsitzende Nikolaus Landgraf. Nun seien auch Arbeitgeber gefordert, sich gegen Armut einzusetzen. Die Landeschefin der Gewerkschaft Verdi, Leni Breymaier, forderte höhere Steuern für Besserverdiener.