Nur rund neun Monate mussten die Gersheimer Bürgerinnen und Bürger warten, bis eine Nachfolgerin für Allgemeinarzt Rainald Schnittger gefunden war. Die Freude in der Bevölkerung und bei Bürgermeister Johannes Leibold ist entsprechend groß. Jaleh Baier übernahm Anfang April erst einmal die Praxisräume ihres Vorgängers, der in den Ruhestand gegangen war. Später ist angedacht, dass die Praxis in die neuen Räumlichkeiten im Ärzte- und Seniorenhaus in den Räumen umzieht.
Ihr Medizinstudium absolvierte die neue Hausärztin an einer Universität in der Nähe von Teheran, wo sie auch ihre Doktorarbeit schrieb. Danach war sie als Ärztin in eigener Praxis und als Gerichtsmedizinerin tätig. Vor 20 Jahren verließ sie ihre Heimat und kam nach Deutschland. Hier schloss sich eine fünfjährige Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin an, die sie 2012 abschloss. Rückblickend sagt sie: "Es war ein steiniger Weg mit vielen Herausforderungen, nicht nur in der Sprache."
Erfahrungen im Großraum Frankfurt
Viel gelernt hat sie durch die praktische Arbeit im Großraum Frankfurt, wo sie als Hausärztin in verschiedenen Praxen tätig war. Seit vier Jahren lebt und arbeitet Baier in Darmstadt, zuletzt im Alice-Praxiszentrum MVZ.
Doch ihr Wunsch nach einer eigenen Praxis, wie sie sie bereits im Iran hatte, war zu groß. In eigener Verantwortung stehen und den Menschen zu helfen, das kann sie nun in Gerchsheim. Dabei war der Schritt in eine Landarztpraxis für sie die logische Konsequenz. "Der Kontakt zu den Leuten ist mir wichtig." Deshalb habe sie sich bewusst für eine Praxis auf dem Land entschieden. Hier seien die Menschen nicht so hektisch wie in der Großstadt und man kenne sich, nennt sie nur zwei von vielen Vorteilen des Landlebens. Der Zusammenhalt untereinander sei ihr dabei im Taubertal besonders aufgefallen.
Nicht unbekannt war Jaleh Baier die Gegend bereits wegen ihres Mannes. Der arbeitet in Tauberbischofsheim in einem Ingenieurbüro. "Ich habe schon seit einiger Zeit nach einer Praxisübernahme in der Region geschaut." Dass es nun in Gerchsheim geklappt hat, nennt sie einen "echten Glücksfall". "Der Ort gefällt mir und das Taubertal bietet eine tolle Landschaft."
Mit ihrer Erfahrung will sie als Allgemeinärztin neben der allgemeinen Patientenversorgung auch die Bereiche Psychosomatik, Hautkrebs-Screening, Check-up, Ultraschalluntersuchungen, Impfberatung sowie die Krebsvor- und -nachsorge anbieten. Weitere Bereiche, wie Eigenbluttherapie oder auch Schmerztherapie könnten folgen, so Baier. Die digitale Zukunft mit Video-Sprechstunden kennt die Allgemeinärztin bereits aus ihrer Arbeit in der Schweiz. Das wird ihr im Taubertal nützlich sein, ist sie sich sicher.
Aufgrund der Corona-Situation führt Jaleh Baier derzeit vor allem eine Terminpraxis, um Wartezeiten so gering wie möglich zu halten. Mit den Kollegen aus den umliegenden Hausarztpraxen hat sie auch schon erste Gespräche geführt und freut sich auf eine gute Zusammenarbeit. Langfristig wollen die Baiers nach Gersheim umziehen. Bis das soweit ist, hat sie sich eine kleine Wohnung angemietet.
