Für Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) ist das Schuljahr 2012/13 das Jahr der Bewährung. Sie muss dafür sorgen, dass das grün-rote Reformprojekt, die Gemeinschaftsschule, reibungslos startet. 42 Schulen machen sich auf den Weg zum längeren gemeinsamen Lernen für Schüler mit Haupt-/Werkrealschul-, Realschul- und Gymnasialempfehlung.
Von der Opposition immer wieder als „Einheitsschule“ beschimpft, die unterschiedliche Begabungen von Schülern ignoriere, steht die neue Schulart unter einem enormen Erfolgsdruck. Die Landesregierung will mit ihr den im Südwesten besonders engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg verringern. Beobachter werten die Einführung der Gemeinschaftsschule als Beginn einer Entwicklung zum zweigliedrigen Schulsystem von Gemeinschaftsschule und Gymnasium – nach Jahrzehnten der von der CDU propagierten Mehrgliedrigkeit.
Im kommenden Schuljahr werden sich auch erstmals die Folgen des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung zeigen. Die Übergangsquote der insgesamt rund 100 000 Abgänger der Grundschulen auf die Haupt- und Werkrealschulen ist um 8,3 Punkte auf 16,8 Prozent gesunken. Im Gegenzug nimmt der Anteil der Wechsler auf Realschulen um 3,9 Punkte auf 39,1 Prozent und auf die Gymnasien um 4,3 Punkte auf 44,1 Prozent zu. Besonderer Beliebtheit erfreut sich das neunjährige Gymnasium, das nur wenige Monate nach dem Abitur der letzten Absolventen des altbekannten neunjährigen Gymnasiums wieder angeboten wird – allerdings in begrenztem Umfang als Versuch. 32 Schulen nehmen im neuen Schuljahr daran teil. Davon bieten wegen des großen Runs sieben nur noch den neunjährigen Weg zum Abitur an.
Der Landeselternbeirat prognostiziert für die zweite Bewerbungsrunde im Herbst bis zu 100 Interessenten für die 22 Plätze. Wenn dies eintrifft, dürfte der Streit in der Regierungskoalition über das weitere Vorgehen wieder aufflammen. Denn die Grünen wollen das zusätzliche Geld lieber in Verbesserungen des achtjährigen Gymnasiums stecken, die SPD plädiert dagegen für eine Ausweitung des Modells. Das langsame Ausbluten der Haupt- und Werkrealschulen und der Start der Gemeinschaftsschule löst den Bedarf nach regionaler Schulentwicklung aus. Nachdem die Kommunen darauf gedrängt hatten, kündigte das Land an, das Problem im Herbst in Angriff zu nehmen.