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Bad Mergentheim
Geheimnisumwitterte Entstehung: Kammerchor Bad Mergentheim spielt Mozarts "Requiem" in der Schlosskirche
Thomas Hess
 |  aktualisiert: 17.12.2022 02:56 Uhr

Die pandemiebedingte Pause war schmerzlich lang gewesen, und so dürften die Sängerinnen und Sänger des Mergentheimer Kammerchors die voll besetzte Schlosskirche auch als verdienten Lohn für tapferes Durchhalten empfunden haben, aber auch als Ausdruck hochgespannter Erwartung auf das "Reqiem", und zwar nicht irgendeines, sondern das bekannte von Wolfgang Amadeus Mozart. Das gehört – bedingt auch durch die Umstände seiner geheimnisumwitterten Entstehung in Mozarts Todesjahr 1791 – seit seiner Uraufführung zwei Jahre später zu den zentralen und bekanntesten Werken der Gattung.

Mit ihrer mehr als nur kompetenten, packend engagierten und einfühlsam lebensvollen Interpretation sorgten Kammerchor im Verein mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim und vier Gesangssolisten unter der Gesamtleitung von Felix Krüger für ein spätes Highlight der diesjährigen Mergentheimer Konzertsaison und wurden dafür vom Publikum in der Schlosskirche mit mehrminütigen standig ovations gefeiert. Eingeleitet wurde die Aufführung durch eine gleichfalls eindringliche Wiedergabe von Mozarts spätem "Adagio und Fuge" in c-moll. Gewidmet war die Veranstaltung dem Gedenken an Uta und Jörg Obermeyer, zwei jüngst verstorbenen Mitgliedern, die sich in verschiedenen Funktionen außergewöhnliche Verdienste um den Kammerchor erworben hatten.

Unverkennbar der Stempel Mozarts

Die Literatur über das "Requiem" dürfte mittlerweile eine kleine Bibliothek füllen. Nur eine Nummer, das "Introitus", wurde nach einhelliger Ansicht von Mozart selbst kurz vor seinem Tode im Dezember 1791 in allen Stimmen selbst fertiggestellt, für den großen Rest griffen seine Schüler Eybler und Süßmayr auf Skizzen und Notate des Meisters zurück, "Sanctus", "Benedictus" und "Agnus Dei" fehlten noch völlig. Das Werk als Ganzes lässt sich also ganz gut mit einer mittelalterlichen Kathedrale vergleichen, an deren Fertigstellung mehrere Generationen von Baumeistern beteiligt waren – dennoch trägt es unverkennbar den Stempel Mozarts, auch wo er zum Ende hin blasser wird: In seiner Verbindung von dramatischer Kraft und Wucht, in denen die "Don Giovanni"-Welt ins Spirituelle gewendet scheint wie etwa in den Klängen des "Kyrie", des "Dies irae" oder dem "Tuba miru"-Posaunenton und auf der anderen Seite einer meditativen Besinnlichkeit und Introvertiertheit, beides Beispiele für die Art und Weise, in der Mozart unter Wahrung der traditionellen Formen geistliche Inhalte fern jeder Abstraktheit sinnlich anschaulich und fassbar zu machen verstand.

Dem ernsten Gegenstand entsprechend ist das "Requiem" in gedämpften, verschatteten Klangfarben gehalten, mit einer Besetzung, in der die hohen Holzbläser wie Flöten und Oboen zugunsten von Fagotten und Bassklarinetten fehlen, nicht jedoch Trompeten und Posaunen, mit denen die dramatischen Ereignisse des Jüngsten Gerichts schneidend akzentuiert werden. So liegt bei einer Aufführung der Focus nicht zuletzt auf der dynamischen Aufteilung und Spannweite in der Abfolge der Nummern, und hier war es bewundernswert, wie Felix Krüger aus den beiden vom Umfang her bescheidenen vokalen und instrumentalen Klangkörpern ein hohes Maß an dynamischer Lebendigkeit und expressiver Sprachgewalt herausholte. Da waren die machtvollen "Kyrie"-Rufe voll geballter Kraft und Präsenz, das "Recordare" geprägt von verhaltenem gleichwohl eindringlichem Pathos, das düstere "Confutatis" von geisterhafter Atmosphäre, um nur einige Beispiele zu nennen.

Großer Farbenreichtum und Klangkultur

Die mehr zum Ende hin überwiegenden meditativen Nummern zeigten großen Farbenreichtum und Klangkultur, die Fugen stimmliche Profiliertheit und klare plastische Konturen. Strahlkräftig und einprägsam präsentierten sich trotz fehlender Arien die vier Gesangssolist(innen) mit der lyrisch glänzenden Akijo Tsujii(Sopran) an der Spitze, dem fraulich würdevollen Mezzo von Maria Marzo, dem kernig schmetternden Tenor Roberto Ortiz und Sven Fürst mit seinem farbenreichen, souverän gebietenden Bariton.

Nach diesem rundum beeindruckenden Requiem darf man sich auf weitere großartige Aufführungen des Kammerchors im kommenden Jahr freuen.  

 
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